Zwischen Latte und Leistung: Warum Rennradfahren wieder in ist
Wer in großen Städten wohnt, muss keine Zahlen bemühen, um zu sehen: Rennradlenker sind en vogue. Nicht wenige junge Menschen fahren lieber ein Rennrad der Ära Merckx als neue Urban Bikes. Am Wochenende drängt es Gravelbiker:innen raus ins Umland und zurück in die Cafés. Manche kommen erst nach zwei Tagen wieder zurück, weil sie das Wochenende für einen Bikepacking-Trip genutzt haben. Und an schönen Tagen sind die Rennrad-Zweierreihen auf der Ausfallstraße so lang wie die Autoschlangen am Baumarkt.
Die Verkaufszahlen des deutschen Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) bestätigen den Trend: 178.300 Rennräder und Gravelbikes gingen 2023 über die Ladentheke, davon 21.000 mit Motor. In 2024 waren es 237.800 Fahrräder mit Rennlenker, darunter 31.300 mit Motor. Anders gesagt: Der Absatz von Rennrädern stieg insgesamt um 33 Prozent, der Anteil von E‑Rennrädern und E‑Gravel Bikes stieg allerdings nur gering um plus 1,4 Prozent.
Der Rennrad-Boom kommt also (noch?) fast ohne E‑Anschub daher. Woher rührt er? Nach wie vor zieht natürlich das vielseitige Gravelbike. Der ZIV wies die Verkaufszahlen 2024 erstmals getrennt aus. Gravelbikes liegen hier mit 137.500 Verkäufen klar vor dem Rennrad mit 100.300 Stück. Aber auch eigene Rennerfahrung zu sammeln, kommt wieder in Mode: Von den 10.000 Teilnehmenden beim Jedermannrennen Eschborn-Frankfurt 2025 waren laut Veranstalter die Hälfte Neueinsteiger.
Was beflügelt den Trend? Rennradfahren darf weh tun, muss es aber nicht mehr. Nicht nur am Gravelbike sorgen breite Reifen für mehr Komfort. Selbst Radstars wie Tadej Pogačar oder Mathieu van der Poel nehmen die Vorteile der breiteren Gummis mit: bessere Haftung in Kurven trotz schlechter Straße, weniger Erschütterung und dadurch geringere Ermüdung bei genauso leichtem Abrollen wie mit dünneren Pneus.
Dazu kommt: Rennradfahren ist einfacher und zugänglicher als früher. TV-Serien wie „Tour de France: Unchained“ haben dem Sport Glamour verliehen. Radcafés und lokale Händler bieten Rides (Ausfahrten) für alle Leistungsstufen und oft sogar getrennt nach Geschlechtern an. Lycra gibt es nicht mehr nur in Gestalt von Vereinstrikots. Man trägt funktionelle und stylische Radmode als Distinktionsmerkmal. Wer kann, blättert nicht nur hunderte Euro für eine Rennradhose hin, sondern legt auch hunderte Kilometer an einem Tag zurück und erzählt die Geschichte auf Instagram und Co. Auch das sind Vorbilder. Das Rennrad erschließt neue Horizonte und alle können es nacherleben.