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Mobilität für Senior:innen – Spezialräder als immer wichtigere Option
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Mittwoch, 10. April 2024

Spezialräder bieten Lösungen für Menschen, die gewöhnliche Fahrräder nicht nutzen können. Die Nachfrage nach den Produkten steigt, die Räder haben sich mittlerweile im Mobilitätsmix etabliert. Der pressedienst-fahrrad hat über die Hintergründe und über Vorteile mit Experten gesprochen und zeigt, welche technischen Möglichkeiten es gibt und warum Cargobikes für die weitere Entwicklung enorm wichtig sind.

In den letzten Jahren haben viele ältere Menschen dank der Unterstützung des Elektromotors die Lust am Radfahren wieder entdeckt. Doch es gibt Personen, die die Vorzüge des Radfahrens nicht genießen können. „Ältere Menschen haben oftmals Probleme mit Schwindel und können ein normales Zweirad nicht mehr nutzen“, berichtet der Arzt und Fahrradhändler Manfred Wiedemann. Ein häufiger Grund für Verletzungen beim Radfahren ist das Umfallen mit dem Rad. Das kann bereits bei niedrigen Geschwindigkeiten zu schweren Nacken- und Kopfverletzungen führen. Schon der Schulterblick oder einhändiges Fahren beim Abbiegen kann bei älteren Menschen Unsicherheit verursachen und einen Sturz zur Folge haben. Für die Gesundheit ist aktive Bewegung bis ins hohe Alter jedoch ein wichtiger Baustein. Radfahren bietet sich hier an, da es nicht nur die Muskulatur, das Herz und die Durchblutung fördert, sondern auch gelenkschonend ist. „Selbst mit schweren Arthrosen in den Gelenken ist Radfahren eine Bewegung, die nicht wehtut“, erklärt der Mediziner Wiedemann.

Dreiräder schaffen Sicherheit

Um älteren Menschen weiterhin die Vorteile des Radfahrens zu ermöglichen, gibt es eine Option: Trikes. Die Dreiräder gelten aufgrund ihres Aufbaus als äußerst sicher und kippstabil, die Gefahr eines Umfallens zur Seite ist minimal. Durch die tiefe Sitzposition ist die Fallhöhe geringer, das vorgelagerte Tretlager dient bei einem Zusammenstoß als eine Art Knautschzone. Beeinträchtigte Menschen könnten mit einem Dreirad wieder ohne Angst fahren und bekämen ganz schnell wieder mehr Sicherheit, so Wiedemann. Der zusätzliche Vorteil: Es gibt keine Druckpunkte an Gesäß oder an den Handgelenken. So sind auch längere Touren im Alter noch möglich.

Wiedemann verkauft in seinem Radladen regelmäßig an Radfahrer:innen, die trotz höherem Alter noch Radreisen quer durch Europa unternehmen möchten. „Das Fahrrad ist ein ideales Trainingsgerät: Man ist in freier Natur und in einer tollen Umgebung“, so Wiedemann, der selbst ein Liegerad besitzt. Die Wahrnehmung der Umwelt und die Orientierung im Raum seien zudem anders, ergänzt Alexander Kraft, Pressesprecher beim Hersteller HP Velotechnik. Florian Wolf, Mitorganisator der Spezialradmesse Spezi, sieht in gesellschaftlichen Entwicklungen einen wichtigen Grund für die wachsende Nachfrage im Segment der mehrspurigen Spezialräder: „Menschen sind im Alter länger gesund, haben Zeit und wollen auch im hohen Alter noch mobil sein und die Landschaft genießen – und Spezialräder, insbesondere Trikes, helfen ihnen, weiterhin ihre Ziele zu erreichen. Ganz klar haben in den letzten Jahren die mehrspurigen Fahrzeuge dazugewonnen.“

E‑Motor steigerte die Nachfrage

Wie bei den Aufrechträdern hat auch bei den Spezialrädern der Elektromotor einen wesentlichen Anteil an der wachsenden Nachfrage. „In der Liegeradszene hat man sehr früh bereits das Potenzial des E‑Motors erkannt. Dieser steigert die Fahrdynamik, selbst wenn man körperliche Einschränkungen hat“, weiß Alexander Kraft. HP Velotechnik hat seine Trikes so konzipiert, dass sie entweder direkt mit einem Elektromotor ausgeliefert werden oder bei Bedarf der Motor nachgerüstet werden kann. Das neue Sesseldreirad „Delta tx“ bietet der Hersteller sogar nur als E‑Variante an. „Die Vielzahl an Modellen ist durch die Elektrounterstützung nochmals gestiegen. Durch den E‑Antrieb ergeben sich neue Möglichkeiten, Ideen umzusetzen, beispielsweise auch bei Handbikes“, sieht Gabriel Wolf, ebenfalls aus dem Organisationsteam der Spezi, die positiven Seiten der Elektrifizierung.

Technischer Fortschritt für mehr Sicherheit

Auch weitere technische Neuerungen kommen den Spezialradfahrer:innen zugute. Dazu zählen Fahrtrichtungsanzeiger oder automatische Schaltungen. „Blinker sind an Spezialrädern definitiv eine sehr gute Ergänzung in puncto Sicherheit“, sagt Sebastian Feßen-Fallsehr vom Lichthersteller Busch & Müller. Anstatt Handzeichen zu geben, wird einfach auf einen Knopf gedrückt und die Hände bleiben sicher am Lenker. Allerdings: Zu viele Knöpfe und Schalter am Lenker können die ältere Nutzergruppe auch überfordern. Deshalb sind Optionen wie eine Automatikschaltung gerade für diese Zielgruppe lohnenswert. „Das sorgt für eine bessere Übersichtlichkeit und es macht einen entspannter, wenn man sich um das Schalten nicht mehr kümmern muss“, sagt Alexander Kraft.

Details rücken in den Fokus

Feedback der Nutzer:innen ist deshalb für die Produktentwicklung enorm wichtig. „Aus den Gesprächen entstehen Optionen für Kundenansprüche, die man so vorher nicht im Blick hatte. Wir bieten mittlerweile eine große Bandbreite an unterschiedlichen Ausstattungsvarianten an“, erklärt Kraft. Dazu zählen z. B. auch Halterungen für einen Gehstock. „Das muss man mit bedenken und in die Produktentwicklung mit einfließen lassen“, so Kraft weiter. In der Entwicklungsabteilung nutzte HP Velotechnik auch einmal einen speziellen Altersanzug. Dieser ermöglicht die Simulation von eingeschränkten Bewegungsabläufen. „Man merkt dabei schnell, was nicht mehr geht. Man bekommt dadurch viel deutlicher gezeigt, wie sich die Zielgruppe fühlt“, beschreibt Kraft den Vorgang.

Cargobikes ändern das Image

Doch das Wissen über die Vorzüge der Räder ist bei vielen Menschen noch nicht angekommen – anders als Cargobikes, die in den letzten Jahren den Durchbruch aus der Nische schafften. Sie haben das Image der Spezialräder geändert und das Thema mehrspurige Fahrzeuge in den Fokus gerückt. „Das Cargobike hat eine gewisse Vorarbeit geleistet und die Gesellschaft erkennt den Nutzen, aber es fehlt noch das Verständnis für den offensichtlichen Anwendungsbereich von Trikes“, sagt Florian Wolf. Alexander Kraft ergänzt mit Blick auf die Infrastruktur: „Cargobikes sind in der Gesellschaft angekommen. Wenn die Energie bei der Entwicklung der Infrastruktur genutzt wird, können alle Mehrspurfahrzeuge profitieren. Wir müssen versuchen, dieses Momentum zu erwischen, um Fahrt aufzunehmen.“

Messe lädt zum Testen ein

Um erste Kontakte zu ermöglichen, ist die Spezialradmesse Spezi im baden-württembergischen Lauchringen ein guter Anlaufpunkt. Jedes Jahr am letzten Aprilwochenende treffen sich dort die Spezialradhersteller, um die Neuheiten aus den Bereichen Liegerad, Trike, Velomobile, Cargobike und Falträder vorzustellen. „Wir sind an einem Wendepunkt, was die Mobilität anbelangt. Die Nische muss präsenter werden, die Chancen sind da“, fasst Gabriel Wolf die aktuelle Stimmung zusammen.

Weitere Infos zum Thema finden Sie in unserem Podcast. Darin sprechen wir mit den Experten aus dem Text über die Situation von Menschen mit Behinderung, Spezialräder für Kinder, Reha-Räder und welche Rolle Krankenkassen für die Weiterentwicklung des Themas spielen können.

Thomas Geisler | pressedienst-fahrrad

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