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Eine Person steht vor einem Gebirgspanorama und hebt ein E-Bike über den Kopf.

Trend „Light-E-MTB“: Weniger soll wieder mehr sein!
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Montag, 29. April 2024

Eine neue Mountainbike-Gattung liegt im Trend. Das Light-E-MTB tritt an, die Lücke zwischen unmotorisiertem Mountainbike und Full-Size-E-MTB zu schließen. Der pressedienst-fahrrad erklärt die Besonderheiten und zeigt, welche Modelle zum Beginn der Mountainbike-Saison in den Handel rollen.

Eine Person fährt E-Mountainbike im Wald.Ein E‑Mountainbike mit 16 Kilogramm? Was vor ein paar Jahren noch utopisch klang, ist mittlerweile im Trend. Immer mehr Fahrradhersteller bringen im Frühjahr 2024 sogenannte Light-E-Mountainbikes auf den Markt. Der Name soll dabei Programm sein: E‑Mountainbikes mit einem im Vergleich zum bisher dominierenden Full-Size-E-MTB deutlich verringerten Gewicht von unter 20 Kilogramm. Die leichtesten Vertreter der neuen Gattung sind mit um die 16 Kilogramm Gewicht kaum noch schwerer als viele vollgefederte Mountainbikes ohne Motorunterstützung und bis zu zehn Kilogramm leichter als gewöhnliche E‑Mountainbikes. Möglich wird das Abspecken durch Verzicht. Die im Light-Sektor eingesetzten Antriebe leisten in der Regel ein geringeres maximales Drehmoment von 50 bis 60 Newtonmetern (Nm). Ausnahmen bestätigen die Regel. Die meiste Kraft steht bei sportlich hohen Trittfrequenzen zur Verfügung. Diese Charakteristik ähnelt nicht nur dem Fahrverhalten sportlicher Fahrer:innen ohne Motor, sie senkt auch den Energieverbrauch, sodass die eingesetzten Akkus mit zwischen 300 und 500 Wattstunden (Wh) genug Reichweite auch für mittlere Touren bereitstellen. Zum Vergleich: Full-Size-E-MTBs haben Motoren mit einem maximalen Drehmoment von 80 bis 95 Newtonmetern und Akku-Kapazitäten von 600 Wattstunden aufwärts.

Eine Person hantiert am Akku im Rahmen eines E-Mountainbikes.Die meisten Hersteller positionieren ihre Light-E-MTBs deshalb als abfahrtsfreudige, vollgefederte Allrounder mit Federwegen zwischen 130 und 160 Millimetern. Für längere Touren gibt es zudem die Möglichkeit, Akku-Kapazität und Reichweite mit einem „Range Extender“ genannten Zweit-Akku zu erweitern. Dieser hat z. B. die Form einer Trinkflasche und wird bei Bedarf einfach an das Rad angestöpselt – wird der Range-Extender nicht genutzt, kann an seiner Stelle eine Trinkflasche montiert werden. Obwohl sich aktuell vier Motorenhersteller auf dem Markt für die besonders leichten Bikes tummeln, gehen sie nicht nur in Sachen Leistung, Akku-Kapazität und Range Extender ähnliche Wege. Zum guten Ton gehört auch die Möglichkeit, die Leistungsentfaltung der Antriebe via App auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen, mittels umfangreicher Konnektivitätslösungen, z. B. Verknüpfung des Motors mit Leistungsmessungsgeräten über ANT+ oder Bluetooth. Einig sind sich die verschiedenen Hersteller auch beim Bedienkonzept. Dezent ins Oberrohr integrierte Displays und kompakte Lenkerfernbedienungen fügen sich dezent ins Gesamtbild ein.

Eine Person fährt in offener Gebirgslandschaft vor der tiefstehenden Sonne ein E-Mountainbike.Fahrfreude ist nicht messbar

Von diesen Maßnahmen versprechen die Fahrradhersteller sich und ihren Kund:innen vor allem eins: mehr Fahrfreude. Das deutlich geringere Gewicht soll Agilität und Handling verbessern, während der Antrieb genau so viel Leistung bereitstellt, dass bei sportlicher Fahrweise auch bergauf viel Fahrspaß geboten wird. „Fahrspaß kann man nicht messen, nur erleben. Fahrspaß hängt auch nicht immer von Zahlen oder Daten ab. Mehr heißt nicht immer mehr!“, ist Philipp Martin, Marketing-Manager bei Orbea, überzeugt. Der baskische Hersteller ist mit seiner Modellserie „Rise“ einer der Wegbereiter der noch jungen Gattung. Brandneu ist die zweite Generation des Rise, die auf dem Bikefestival Riva ihre Premiere feiert. Die Plattform umfasst die Modelle „SL“ und „LT“ mit Federwegen zwischen 140 und 160 Millimetern und die Möglichkeit, zwischen leichtem 420- und reichweitenstarkem 630-Wh-Akku zu wählen. Ein Range Extender ist ebenfalls zu haben. Herzstück des Rise-Updates ist die neue Motorabstimmung „Rider Synergy“, deren Plus-Modus bei harten Antritten die vollen 85 Newtonmeter Drehmoment des Shimano-EP-Antriebs bereitstellen kann, während im Normalbetrieb energiesparende 54 Newtonmeter anliegen. Der Preis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Zwei E-Mountainbikes lehnen an einer Metallwand.Den Antrieb auf den Kopf gestellt

Ebenfalls sehr früh auf dem Light-E-MTB-Markt war Haibike, selbst E‑MTB-Anbieter der allerersten Stunde. Die Franken haben mit dem „Lyke“ ein Light-E-MTB in drei Ausstattungsvarianten zwischen 6.799 und 12.500 Euro im Programm. Der Fazua-Antrieb ist dezent in das Sitzrohr integriert und Haibike-typisch gedreht. Das spart laut Hersteller nicht nur Platz, sondern auch Gewicht. Der Federweg beträgt 140 Millimeter. „Das Lyke rundet unser umfangreiches E‑MTB-Angebot um ein Modell für sportlich ambitionierte Fahrerinnen und Fahrer ab. Es ist optisch und in Sachen Gewicht kaum noch von einem unmotorisierten Mountainbike zu unterscheiden und optimal für Menschen, die Wert auf ein schlankes Rahmendesign legen, aber nicht auf Unterstützung verzichten wollen“, erklärt Global Brand Manager Matthias Rückerl den Newcomer. Die Bedienung des Antriebs mit einer minimalistischen Ring-Control am Lenker für die Wahl der Unterstützungsstufen trägt dem Fahrrad-orienterten Design Rechnung und soll besonders intuitiv bedienbar sein.

Eine Person springt mit einem E-Mountainbike. Im Hintergrund ist eine alpine Bergkette zu erkennen.Hamburger Fahrrad mit bayerischem Antrieb

Die Hamburger Sportradprofis von Stevens bieten mit ihrer „E‑Maverick“-Plattform gleich zwei verschiedene Light-Modelle in drei Ausstattungsvarianten an. Das „E‑Maverick AM“ versteht sich mit einem Federweg von 140 Millimetern und einem Gewicht ab 16,5 Kilogramm als vielseitiger Allrounder, während die „ED-Version“ mit 160 Millimetern Federweg, potenteren Federelementen und robusterer Ausstattung sich an die abfahrtslastigere Enduro-Disziplin wendet. Ausflüge in den Bikepark oder Renneinsätze in der E‑Enduro-Serie inbegriffen: Angetrieben wird das norddeutsche Leichtgewicht von einem bayerischen Kraftspender aus dem Hause TQ. Mit einem Gewicht von unter 1,9 Kilogramm ist er laut Herstellerangaben der aktuell leichteste E‑MTB-Antrieb auf dem Markt. Volker Dohrmann, Brand Manager bei Stevens, erklärt dazu: „Sportlichkeit ist unser Markenkern. Die neuen Light-Assist-Modelle im MTB- und Gravelbereich verschieben die Benchmark in Sachen Fahrdynamik. Das E‑Maverick fährt sich so gut wie ein konventionelles Mountainbike – oder sogar besser.“ Die Preise beginnen bei 6.999 Euro.

Ein Mann auf einem E-Mountainbike in der Luft.Leichtgewichtige Weltpremiere

E‑Bike-Pionier Flyer zeigt ebenfalls auf dem Bike-Festival in Riva erstmals sein „Uproc SL:X“ genanntes E‑Trailbike. Mit einem Gewicht von unter 18 Kilogramm bei einem Federweg von 130 Millimetern setzt Flyer auf den SX-Antrieb von Marktführer Bosch – bei den Topmodellen gehört der Range Extender zum Lieferumfang und erweitert so auf Wunsch die Akku-Kapazität um 250 auf 650 Wattstunden. Anja Knaus, Senior-PR-Managerin beim schweizerischen Hersteller, erklärt: „Mit dem Uproc SL:X vergisst man, dass man ein E‑MTB fährt, so agil ist das Fahrverhalten. Nur wenn es bergauf geht, bemerkt man den Motor – und freut sich.“ Weniger ist mehr, das ist auch das Motto beim relativ geringen Federweg. Er soll mit einer sportlichen Kinematik der aktiven Charakteristik des Bikes Rechnung tragen und gleichermaßen für die schnelle Hausrunde wie für den anspruchsvollen Alpen-Einsatz funktionieren. Der Hinterbau kommt ohne Drehpunkte und Lager am Hinterbau aus. Der Hersteller erreicht das durch vertikal flexible Kettenstreben aus Carbon. Das soll Wartungsbedarf und Gewicht reduzieren. Die Geometrie ist via „Flip-Chip“ verstellbar und eine Integration von Scheinwerfer und Rücklicht auf Wunsch möglich. Vier Ausstattungsvarianten ab 5.799 Euro sind erhältlich

Nahaufnahme eines Mountainbikereifens auf Waldboden.Kein spezifisches Zubehör nötig

Spezifisches Light-E-MTB-Zubehör scheint es trotz des Booms erst einmal nicht zu geben. Reifenhersteller Schwalbe empfiehlt, die Reifen vor allem nach dem Anwendungsbereich des Rades zu wählen und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein motorisiertes oder unmotorisiertes Rad handele. Außerdem sehe man ja, dass es sehr unterschiedliche Light-E-MTBs gebe, so Steffen Jüngst, PR-Manager bei Schwalbe: „Auf einem Trailbike sind zum Beispiel Nobby Nic und Wicked Will eine zum Einsatzbereich des Bikes passende Reifenkombi, während ein Enduro eine ganz andere Ausrichtung hat. Hier sind Magic Mary und Big Betty die erste Wahl aus unserem Sortiment.“ Die meisten Mountainbikereifen des oberbergischen Herstellers sind mit dem Kürzel „E‑25“ oder „E‑50“ für die Nutzung am E‑Bike bzw. S-Pedelec freigegeben.

Ähnlich sieht es bei den Kontaktpunkten wie Griffen und Sattel aus. Lothar Schiffner, Presseverantwortlicher beim Koblenzer Ergonomiespezialisten Ergon, empfiehlt ebenfalls Griffe und Sattel gemäß dem Einsatzbereich des Rades zu wählen, weniger nach der Antriebsgattung, und nicht auf Teufel komm raus Gewicht zu sparen. „Für die meisten Light-E-Mountainbikes sollten unsere Allmountain- oder Enduro-Griffe oder speziellen E‑MTB-Sättel eine gute Wahl sein.“

Der Motor eines E-Mountainbikes.Kommentar: Die neuen Allrounder

Bereits seit einigen Jahren werden mehr E‑Mountainbikes verkauft als „Bio“-Mountainbikes, also Räder ohne Elektromotor. Das Light-E-MTB könnte diesen Trend weiter verstärken und zum neuen Standard beim sportlichen Geländesportrad außerhalb der klassischen Radsportdisziplinen avancieren. Wem sich bisher E‑Mountainbikes mit ihrem brachialen Turboschub und hohem Gewicht zu sehr nach Motocross-Motorrad anfühlten, wer sich aber trotzdem Motorunterstützung wünscht, dürfte hier fündig werden. Beide Segmente, Light- und Full-Size-E-MTB ersetzen sich nicht, sondern ergänzen sich. Das Argument, E‑MTB-Fahren sei kein Sport, ist ohnehin längst obsolet. Wer will, kann sich auch auf dem E‑MTB vollkommen verausgaben. Der Motor Mann mit Mütze im Porträtgibt dann nur das Seine dazu und katapultiert die Leistungsfähigkeit von Mensch und Maschine nahe an das Niveau von Profisportler:innen. Auf diese Option zu verzichten, wenn sie mit so wenig Kompromissen verbunden ist wie beim Light-E-MTB, könnte in Zukunft zunehmend zur Minderheitenwahl werden. Für mich persönlich in jedem Fall: Light-E-MTBs rücken weniger technische Daten in den Mittelpunkt und eignen sich nicht fürs Superlativmarketing. Dafür bringen sie etwas zurück, was über Drehmoment- und Maximalkapazitätswettkämpfe in Vergessenheit zu geraten drohte: den Fahrspaß.

Text und Kommentar: Arne Bischoff | pressedienst-fahrrad

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