Die Eurobike rückt in die Mitte
Als 2021 bekannt wurde, dass die Eurobike von Friedrichshafen nach Frankfurt zieht, haben wir unsere Glückwünsche gesendet. Zwei Parteien, die Messe Friedrichshafen und die Messe Frankfurt, haben einige mutige Entscheidungen getroffen und sich zusammengeschlossen. Der Glückwunsch meinte aber nicht nur den lobenden Gruß, sondern auch im eigentlichen Wortsinne den Wunsch, dass das notwendige Glück die Macher:innen begleiten möge. Nicht, weil sie ihr Geschäft nicht verstehen oder weil sie die Falschen für diese Aufgabe wären, sondern vielmehr, weil die Aufgabe eine monströse war und noch heute ist.
Zeit für Held:innen und Wagemutige
Messen haben es seit Jahren schwer. Und damit meine ich nicht nur die Corona-Zeit. Die großen Fach- und Consumer-Messen sind unter massivem Beschuss. Das Internet als alternativer Messestandort, Informationskanal, Vertriebsweg und Dialogmedium fordert wie vieles andere auch das Konzept der physischen Messen grundsätzlich heraus. Die Eurobike hat sich deshalb thematisch weiter öffnen müssen. Von der Mountainbike-Messe, die sie früher war und die perfekte an den Bodensee mit dem Alpenpanorama passte, hin zur urbanen (E-)Mobilitätsmesse.
Die E‑Mobilität zieht in Sachen Entwicklung, Kommunikation und Vertrieb ganz andere Mitspieler:innen an den Fahrradtisch. Wir erleben derzeit die Digitalisierung einer Branche, die neben neuen Einkaufsmöglichkeiten auch innovative Nutzungsvarianten etabliert. Dabei muss die Radbranche auch einem harten Paradigmenwechsel begegnen: Die Zukunft des Fahrrads hängt nicht mehr vom Fahrrad selbst ab! Vielmehr sind es Infrastruktur, Umgangskultur und die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Fahrradnutzung steigern und damit das Wohlergehen dieser Industrie bestimmen werden. Die Stadt Frankfurt bietet, auch mit Unterstützung der örtlichen Politik, ein passendes Ambiente. Frankfurt hat sich 2019 auf den Weg zur Fahrradstadt gemacht und diverse Maßnahmen pro Radverkehr ergriffen. Das Angebot der Eurobike passt in dieses Konzept.
Jede Branche hat die Messe, die sie verdient
Gleichzeitig haben sich die Bedürfnisse der Fahrradbranche an eine Messe bis zur Unvereinbarkeit ausdifferenziert: Die Lieferketten wünschen sich viel Vorlauf, also eine frühe Messe; bestenfalls im späten Frühjahr des Vorjahres. Die Fahrradmarken brauchen eine Ordermesse, um Handelsbestellungen einzuholen und diese mit den Zulieferern zu synchronisieren; also eine Messe im Frühsommer des Vorjahres. Die Endverbraucher:innen möchten Produkte entdecken, erleben und kaufen – und zwar möglichst zum Beginn der eigentlichen Saison; dafür wäre das Saisonfrühjahr der ideale Termin. Dann sind da noch die Entwickler:innen, Produktmanager:innen und deren Auftragnehmer:innen, deren Vorlauf teils mehrere Jahre beträgt und deren Arbeit möglichst lange Zeit ohne Teilnahme der Öffentlichkeit vonstatten gehen soll. Denn allzu frühe Neuheitenvorstellungen hemmen den Verkauf aktueller Produkte. Ergo: Die Anforderungen sind viel zu divers, um von einer Weltleitmesse an einem Termin und Standort vollumfänglich eingelöst werden zu können. Dass die Fahrradbranche diese Erwartung an die Eurobike fortwährend implizit formuliert, sagt mehr über die Branche als über die Eurobike-Macher:innen. Statt nun erneut über die diesbezügliche Unzulänglichkeit des Termins oder Konzepts der „neuen“ Eurobike zu schwadronieren, täte die Branche gut daran, sich zum einen zu freuen, wie lange die Eurobike bereits ein verlässlicher Partner der Fahrradwelt ist, und zum anderen diesen „Eine-Messe-für-alles“-Anspruch zu beerdigen. Jede:r Branchenteilnehmer:in kann sich durch eine Teilnahme eindeutig positionieren.

