Unterschätzte Gefahr: Gehirnerschütterungen beim Mountainbiken
Kathi Kuypers
Slopestyle-Athletin Kathi Kuypers hat sich die letzten 3 Jahre während ihres Osteopathie Studiums mit dem Thema Gehirnerschütterungen und deren Symptome und Therapie beschäftigt und berichtet aus ihrer Sicht, wie Crankworx und die Athleten damit umgehen. Sie hat selbst den Test für Gehirnerschütterungen mitgemacht und gibt einen detaillierten Einblick, wie komplex die Bewertung ist. Für Athleten kann ein solcher Test wertvolle Hinweise liefern – doch er macht auch deutlich, wie schwer es ist, die eigene Fahrtüchtigkeit nach einem Crash objektiv einzuschätzen.
Concussion-Tests im Slopestyle
Bis vor 2 Jahren gab es im Slopestyle-Diamond-Level einen Orthopäden, der standardisierte „Concussion Tests“ durchführte. Er überprüfte Athleten vor den Wettkämpfen und hatte die Befugnis, im Ernstfall Athleten aus dem Wettbewerb zu nehmen. Diese Instanz existiert mittlerweile nicht mehr. Damit drängt sich die Frage auf, ob hier an der richtigen Stelle gespart wurde.
Als Ersatz können Athleten freiwillig nun auf das Forschungszentrum für die Prävention von Sportverletzungen und deren Labor für Gehirnerschütterungen und zerebrovaskuläre (das Gehirn und seine Blutgefäße betreuend) Forschung aus Calgary ausschließlich während Crankworx Whistler zurückgreifen. Die Verantwortung liegt dabei jedoch in erster Linie bei den Fahrer*innen selbst. Sie müssen nach einem Crash selbst entscheiden, ob sie fähig sind, wieder an den Start zu gehen. Doch ob eine Athletin oder ein Athlet, noch voller Adrenalin und im Wettkampfdruck, mit Sponsoren im Nacken, Erwartungen zu erfüllen und wichtige Welttournee Punkte zu sammeln, wirklich objektiv einschätzen kann, wie schwer die Verletzung ist – das bleibt fraglich.
Was ist eine Gehirnerschütterung?
Das Nervensystem besteht aus Gehirn, Rückenmark, Nerven und Sinnesrezeptoren und bildet ein riesiges Netzwerk aus Milliarden Nervenzellen. Das Gehirn alleine enthält etwa 100 Milliarden Neuronen, die Informationen blitzschnell verarbeiten. Nervenbündel leiten Signale zu Muskeln und Organen, ein perfekt organisiertes System, das jede Bewegung und Reaktion steuert. Bei einer Gehirnerschütterung entsteht ein Schlag oder Ruck auf den Kopf. Dabei werden die Nervenzellen und das Gehirngewebe durch lineare oder Rotationskräfte beeinflusst, was die Kommunikation im Nervensystem vorübergehend stört. Die Folgen können sein: Kopfschmerzen, Schwindel, verzögerte Reaktionen, Konzentrationsprobleme oder Gleichgewichtsstörungen. Auch wenn äußerlich oft nichts zu sehen ist, arbeitet das Gehirn in dieser Zeit nicht normal und die Leistungsfähigkeit ist körperlich wie mental eingeschränkt.
Warum sind Mountainbiker besonders gefährdet?
Hohe Geschwindigkeiten, anspruchsvolle Strecken und Sprünge gehören zu einer guten MTB-Ausfahrt dazu. Bei Stürzen sind Kopfaufpralle keine Seltenheit. Besonders gefährlich ist die Kombination mehrerer Stürze innerhalb weniger Wochen. Wer nach einer Gehirnerschütterung zu früh wieder auf das Rad steigt, riskiert das sogenannte „Second Impact Syndrome“, bei dem die Verletzungen deutlich schwerer verlaufen und bleibende Schäden verursachen können. Bei einem Sturz wirken enorme Kräfte auf den Kopf. Diese Kräfte lassen sich in lineare Beschleunigung (gerader Aufprall) und rotatorische Beschleunigung (Drehbewegung) unterteilen. Letztere spielt bei Gehirnerschütterungen eine entscheidende Rolle.
Mehr über das Gehirn selbst
Das Gehirn ist nicht starr im Schädel fixiert, sondern von Hirnflüssigkeit (Liquor) umgeben und liegt wie ein weiches Gel im Schädel. Wenn der Kopf plötzlich abbremst oder sich abrupt dreht, „schwimmt“ das Gehirn in dieser Flüssigkeit nach – ähnlich wie die Schneeflocken in einer Schneekugel, die nach einer Drehung weiterwirbeln, obwohl das Glas schon stillsteht.
Allerdings bewegen sich im Gehirn nicht einfach Teilchen lose hin und her, vielmehr passiert folgendes:
- Trägheit des Gehirns: Durch die plötzliche Rotation bewegt sich das Gehirngewebe im Schädel noch weiter, während der Schädel selbst schon abgebremst ist.
- Scherkräfte: Dabei kommt es zu mikroskopischen Dehnungen im empfindlichen Nervengewebe, weil verschiedene Teile des Gehirns unterschiedlich stark beschleunigt werden. Vor allem die langen Nervenfasern sind davon betroffen.
- Verletzungsmuster: Diese Scherkräfte können die Signalübertragung in den Nervenzellen stören – genau das äußert sich dann als Gehirnerschütterung. Bei stärkeren Aufprallen können sogar Mikroverletzungen oder Blutungen entstehen.
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