Auf dünnen Reifen ins Büro – Pendeln mit dem Rennrad
Nicht nur im Sommer spricht vieles dafür, statt der Feierabendrunde die Rennradtour in den Arbeitsalltag zu integrieren. Zu Tagesbeginn durch die Landschaft zu rauschen, sorgt bereits bei der Ankunft am Arbeitsplatz für gute Laune, weil Bewegung an der frischen Luft nachweislich Stresshormone senkt. Zudem stärkt regelmäßiges Radeln Herz- und Kreislaufsystem und erhöht die Abwehrkräfte. Gerade an heißen Tagen ist der frühe Morgen ideal fürs Training – die angenehm kühlen Temperaturen machen den Arbeitsweg auf dem Rad deutlich attraktiver als ein Training in der sommerlichen Hitze am Abend.
Passende Rahmenbedingungen
Die Voraussetzungen für entspanntes Fahrradpendeln müssen natürlich beim Arbeitgeber vorhanden sein. Das wäre zuerst einmal ein Raum, in dem man sich umziehen und frischmachen kann, bzw. bestenfalls eine Dusche. Gleiches gilt für sichere Abstellmöglichkeiten. Passt? Perfekt. Dann fehlt nur noch das Rennrad. Gut zum Pendeln geeignet sind sogenannte Marathon- oder Endurance-Modelle. „Die Rahmengeometrie dieser Rennräder ist auf lange Strecken ausgelegt“, sagt Anke Namendorf, Brand Managerin beim niederländischen Fahrradhersteller Koga. „Natürlich pendelt man keine 200 Kilometer, aber die Fahrerinnen und Fahrer sitzen zum Beispiel aufrechter, was mehr Komfort bedeutet, ohne dass man auf Effizienz verzichten muss.“ Rennräder wie die „Roqa“-Serie von Koga (UVP: ab 2.999 Euro) oder das „Aspin Disc“ (Stevens, UVP: ab 1.999 Euro) basieren auf einer solchen vergleichsweise komfortablen Allround-Geometrie und bieten mit 45 bzw. 32 Millimetern viel Reifenfreiheit, sodass sich auch breitere Reifen aufziehen lassen. Dadurch können die Reifen mit weniger Luftdruck gefahren werden, was für mehr Grip und Komfort sorgt, gerade auf rutschigem und unebenem Untergrund.
Luft oder Dichtmilch – Hauptsache pannensicher
Apropos Reifen: Ob man sich für Schlauch oder Tubeless entscheidet, ist eine Frage der individuellen Vorliebe, aber auch der Pannensicherheit. „Die Pannensicherheit ist bei Tubeless am besten. Ein TPU-Schlauch wie unser Aerothan-Schlauch bringt aber ebenfalls eine sehr hohe Robustheit mit – der Rollwiderstand ist sogar auf Tubeless-Niveau“, sagt Steffen Jüngst vom Reifenhersteller. Modelle wie der „Schwalbe Pro One“ (UVP: ab 64,90 Euro) sind für beide Varianten erhältlich und mit einer speziellen Pannenschutzeinlage versehen. „Der V‑Guard ist enorm widerstandsfähig und wird auch in Schutzwesten verwendet“, sagt Jüngst. Damit haben Steine, Schnitte und Dornen kaum eine Chance, den Arbeitsweg zu sabotieren.
Nicht vergessen: von Licht bis Multitool
Es empfiehlt sich, beim Pendeln mit dem Rennrad Akku-Leuchten mitzuführen“, rät Sebastian Feßen-Fallsehr vom Beleuchtungsspezialisten Busch & Müller. „Zwar ist es im Sommer meist hell genug, aber manchmal ist es morgens noch diesig oder man dreht auf dem Rückweg ein paar Extra-Kilometer und gerät in die Dämmerung.“ Rücklichter wie das „Ixxi“ (Busch & Müller, UVP: 29,90 Euro) können mit einer Gummilasche an der Sattelstütze befestigt werden. Leichte Scheinwerfer (z. B. „Ixon Core“, Busch & Müller, UVP: 79,90 Euro) lassen sich schnell mit einer Halterung an vielen Lenkern ab- und anklicken oder dank eines Adapters unter der Halterung von Radcomputern montieren. Was ebenfalls immer mit dabei sein sollte – und was viele Rennradfahrer:innen ohnehin besitzen: eine kleine Satteltasche (z. B. „Race Saddle Bag“ von SKS Germany, UVP: 24,99 Euro), in der Multitool, Ersatzschlauch und Mini-Pumpe Platz finden. Alternativ lässt sich Werkzeug auch in einer Kunststoffbox mitführen („Cage Box“ von SKS Germany, UVP: 9,99 Euro), die in den Flaschenhalter passt. Manche Rennräder sind direkt mit Platz für Werk- und Flickzeug ausgestattet, wie zum Beispiel das „Avant“ von Orbea (UVP: ab 1.399 Euro). Am Unterrohr ist eine sogenannte Service-Box integriert, in der sich Werkzeug und Co. unterbringen lassen.
Alles dabei haben – aerodynamisch bleiben
Um Wechselkleidung, Bürosnack und Co. mitzunehmen, bietet sich ein Rucksack an. Schmale Modelle mit guter Belüftung und ergonomisch geformten Schultergurten (etwa „Moab 15 II“ von Vaude, UVP: 140 Euro) sind praktische Helfer. „Rucksäcke werden von manchen beim Rennradfahren aber als störend empfunden”, weiß Peter Wöstmann vom Taschenspezialisten Ortlieb. „Dann helfen Taschen weiter, die man direkt am Rahmen befestigen kann. Die Idee stammt vom Bikepacking, also Ausfahrten mit Rennrad oder Gravelbike, und leichtem Gepäck. Die Taschen eigenen sich aber auch hervorragend fürs Pendeln“, erklärt Wöstmann. Ein Beispiel sind die sogenannten „Seat-Packs“ (z. B. von Ortlieb, ab 155 Euro), Diese werden am Sattelrohr befestigt und bieten Platz für frische Kleidung fürs Büro plus Wind- und Regenjacke. Alles, was man für den schnellen Zugriff benötigt, etwa Handy, Schlüssel und Werkzeug, lässt sich in einer kleinen Rahmentasche auf dem Oberrohr unterbringen („Urban Top Tube Bag“ von SKS Germany, UVP: 24,99 Euro oder „Fuel Pack“ von Ortlieb, UVP: 65 Euro). So hat man alles dabei, ohne aerodynamische Abstriche zu machen. Wenn die Option besteht, das Arbeits-Outfit am Arbeitsplatz zu lassen, kann man zur Rahmentasche greifen. Modelle wie die „Frame-Pack“ von Ortlieb (UVP: ab 105 Euro) werden im Rahmendreieck befestigt. So kann man Bekleidung wie Regenjacke oder Arm- und Beinlinge bei Nichtgebrauch einfach verstauen. „Wichtig bei der Taschenauswahl: Die Modelle sollten auf alle Fälle komplett wasserdicht sein. Nichts ist ärgerlicher, als wenn man nach einem Regenschauer in nasse Klamotten am Arbeitsplatz schlüpfen muss“, gibt Wöstmann als zusätzlichen Tipp. Auch möglich: Einen Gepäckträger wie den Quick-Rack (UVP: ab 95 Euro) am Rad befestigen. So besteht die Option, eine Gepäckträgertasche ans Rad zu stecken. Für die Trainingsausfahrt lässt sich der Gepäckträger mit wenigen Handgriffen wieder entfernen.
Für Abwechslung sorgen
Beim Pendeln mit dem Rennrad kann man mit kluger Streckenwahl für Abwechslung sorgen – etwa über Nebenstraßen oder (rennradtaugliche) Wegen durch die Natur. Hier helfen Planungstools wie Komoot oder Google Maps. Die Hinfahrt eignet sich für eine direkte, zeitsparende Route – auf dem Rückweg lassen sich dann gezielt Umwege oder Anstiege fürs Training einbauen.
Jetzt wird’s eng
Aerodynamisch bleiben Rennradfahrer:innen auch bei ihrer Kleidung, denn Jeans und T‑Shirt sind beim Rennradfahren nicht nur unpraktisch, sondern auch unbequem. Mit Bibshorts, Radtrikot und, je nach Temperatur, Armlingen, Beinlingen und Schlauchtuch, steht der sportlichen Fahrt ins Büro nichts im Weg. Falls es etwas kühler ist, leistet eine leichte Windjacke mit verlängertem Rücken gute Dienste, die auch mal einen kurzen Regenschauer aushält und dank kleinem Packmaß sogar in die Trikottasche passt (z. B. „Matera Windjacke“ von Vaude, UVP: 75 Euro). Eine Windweste (z. B. „Matera Air“ von Vaude, UVP: 65 Euro) schützt vor kühlem Fahrtwind. Ein Helm gehört beim Rennradfahren zur Grundausstattung. Für Pendler:innen spielen dabei Faktoren wie Aerodynamik und Gewicht eine geringere Rolle. Wichtiger sind eine gute Belüftung sowie Komfort. Ein ausklügeltes Belüftungssystem wie beim „Powerdome“ von Abus (UVP: 119,95 Euro) sorgt für einen angenehmen Tragekomfort.
Das richtige Mindset
Das Wichtigste am Rennrad-Pendeln ist und bleibt der Spaß. Morgens auf einer wenig befahrenen Straße richtig reinzutreten und im Kopf Sprüche von Eurosport-Kommentatoren abzuspulen, sorgt einerseits für ein gutes Workout und andererseits für ein cooles Erfolgserlebnis. So kann der Arbeitstag beginnen …