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TransNorway 2008
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Mittwoch, 2. Juli 2008

*** Bitte beachten Sie: Dieser Artikel ist zwei Jahre alt oder älter. Wir haben ihn nicht gelöscht, weil Inhalte wie Tipps, Hintergründe und Technisches noch immer gültig sind. Ansprechpartner, Produkte und Preise können sich aber zwischenzeitlich geändert haben. Für ein Update rufen Sie uns bitte an! ***

Die Trails des Nordens – „Craft MTB 6‑dagers“ ist das erste Etappen-Mountainbikerennen in Norwegen – über 730 km von Trondheim nach Oslo. Gunnar Fehlau vom pressedienst-fahrrad war mit von der Partie; hier seine Reportage:

Trondheims Radler lassen sich liften oder heizen!

Sportliche Radfahrer kennen Trondheim vor allem durch das Rennrad-Rennen „Store Styrkeproven Trondheim-Oslo“, das seit über 40 Jahren jeweils am Wochenende der Mitsommernacht startet (siehe Sport Nachrichten 06/2008). Seit diesem Jahr gibt es nun auch eine „MTB Styrkeproven“, wie der Mountainbike-Marathon über 730 km bei der ersten Ausschreibung im September 2007 noch hieß. Später grassierte der Name „TransNorway“, bis das Rennen schließlich seinen endgültigen Namen bekam: „Craft MTB 6‑dagers“. Wir sind zwei der vier Deutschen (aber das einzige deutsche Team) am Start.
Nicht ganz so sportliche Alltagsradler beneiden die Trondheimer Radfahrer um ihren Fahrradlift. Der erste und bis jetzt einzige Fahrradlift der Welt, die 130 Meter lange „Sykkelheisen Trampe“, wurde 1993 gebaut. „Der Lift funktioniert mittels einer durch ein Seil in einem Kanal unter der Straße gezogenen Fußplatte. Die Technik ist mit der einer fix gekuppelten Kabelbahn vergleichbar. Der Benutzer stellt sich so mit dem Fahrrad neben diese Platte, dass er sich stabil mit dem rechten Fuß auf diese Platte abstützt. Wenn der Lift startet, fährt man, sich mit dem rechten Fuß auf der Fußplatte abstützend, mit dem Rad die Straße hinauf. Die Geschwindigkeit beträgt 7,4 km/h. Den anderen Fuß lässt man auf dem Pedal stehen. Das Fahrrad wird also hinaufgerollt“, ist auf Wikipedia nachzulesen. Eine Probefahrt auf dem Förderband ist uns nicht vergönnt – der Lift wird heute gewartet.

Chill-out am Hafen

Wir rollern Richtung alte Docks. Hier hat sich eine vitale Gastronomieszene etabliert. Es ist zehn Uhr abends, aber gefühlte 18 Uhr. Die Mitsommernacht steht in wenigen Tagen bevor und die Sonne bleibt fast bis Mitternacht am Himmel; das eigene Zeitgefühl ist ausgehebelt. Strahlender Sonnenschein zum Heute-Journal! Zeit für einen Espresso, wir kehren im „Choco Elvehavn“ ein – der Vier-Euro-Muffin ist unglaublich lecker, doch für einen Radler nicht genug. Zwei Häuser weiter gibt es eine „Peppes Pizza“-Filiale: Eine „spicy Rio Grande“-Pizza mit satten 50 Zentimetern Durchmesser ist ein perfektes Biker-Abendbrot. Für die nötige Bettschwere sorgt ein 0,6er Bier für schlappe 9,50 Euro. Gut, dass unser Hotel direkt hinter der Fußgängerbrücke liegt (Rica Nidelven Hotel Trondheim) 23:30 Uhr: ein erster Einschlaf-Versuch!

15.06.08 – 1. Etappe, Trondheim – Oppdal, 146 km

Die Beine sind schwer, die Nieren schmerzen und der Magen rumpelt ordentlich! Kurz gesagt: Wir haben einen wundervollen Tag auf den Rad hinter uns. Reichlich schnelle Abfahrten, heftige Anstiege, faszinierende Natur und typisch norwegisch wechselhaftes Wetter – Regen, Sonnenschein und Schnee.

Doch eins nach dem anderen: Der Morgen begrüßte uns mit sattem Regen, der glücklicherweise während der Startaufstellung aussetzte, um uns dann pünktlich zum realen Start wieder seine Aufwartung zu machen.
Die ersten zehn Kilometer erfolgen hinter einem Führungsfahrzeug. Wir haben die Favoriten im Blick, aber selten im Sinn, denn frei nach dem Motto „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ (oder in Madrid) besinnen wir uns von Beginn an auf unsere Stärken – also auf nichts Spezielles außer der Lust, mit dem Rad irgendwohin zu fahren.
Der Puls folgt stetig der Topographie der Etappe: Bergauf schnellt er rasant hoch, bergab beruhigt er sich (nur bedingt) und in der Ebene rast er, wie wir es auch tun, so dass wir am Ende einen Durchschnittspuls von knapp 150 haben.
Wir sind nun schon drei Stunden im Ziel, lecken nach der 152-Kilometer-Fahrt unsere Wunden und genießen die Leere in unseren Köpfen: einen Tag nur radeln und die Gedanken schweifen lassen … So konnten wir zum Beispiel feststellen, dass der Körperfettwert ein geschlechtsneutraler Mistkerl ist – ob Mann oder Frau, er belohnt die Schmächtigen am Berg mit Tempo und straft die drallen Radler mit reichlich Hemmungen am Anstieg ab. Und schwupps – der Macho in uns mag es kaum glauben – wird man über den Tag in einer gewissen Regelmäßigkeit vom schönen Geschlecht „versägt“. Gesellen sich zum günstigen Körperfettwert noch fünfstellige Jahreskilometer, rappelt es ordentlich im Karton: Der Sieger war gute zwei Stunden vor uns im Ziel, und während wir im Matratzenlager liegen, putzt ihm seine Crew das Rad und eine Masseuse (oder Masseurin?) knetet ihn durch … Ja, es ist halt ein Unterschied, ob man sein Leben auf solche Rennen ausrichtet oder solche Rennen noch irgendwie in den Kalender reinwurschtelt und bei jeder Trainingstour der Gefühl hat, Familie oder Firma zu vernachlässigen. Am Ende sind alle Beteiligten nicht zufrieden – ein klassischer Rollenkonflikt des modernen Mannes. Aber zurück auf den Trail! Und diese sind wirklich schön, wenn auch am ersten Tag etwas spärlich gesät.

Das wirklich Besondere aber ist, dass sie so unglaublich schön eingebettet sind. Zugegeben, auch meine Tour rund um den Bismarckturm in Göttingen hat coole Passagen, aber es gibt einen großen Unterschied, der äußerst ambivalent ist: Als verweichlichter Wessi finde ich den Gedanken, bei einem Sturz eine Böschung herunterzufliegen und einige Wochen später als leicht verweste Zwischenmahlzeit eines herumstreuenden Elchs zu enden, sehr bizarr. Er jagt mir Angst ein und ich entwickle noch mehr Respekt vor dieser einsamen und weiten Landschaft; aber umgekehrt macht diese Weite und Einsamkeit der Natur gerade den Reiz aus.
In diesen Regionen muss man sich auf seine Ausrüstung verlassen können. Ein kleiner Patzer beim Equipment kann mitunter schwerwiegende Folgen haben, aber Sven und ich haben ein glückliches Händchen bewiesen: Die beiden Haibike-Renner laufen wie der Teufel bergab wie bergauf und auch die neuen Trikots funzen super! Unser Maximal-Speed bergab auf einer Schotterstraße: satte 80,6 km/h.

17.06.08 – 2. Etappe, Oppdal – Tynset, 120 km

Vor dem Tag kommt die Nacht und diese birgt Risiken. Bei einem Etappenrennen mit Massenunterkunft ist das fleischgewordene Risiko jeder Mitschläfer in eigenen Raum oder – um ehrlicher zu sein – in deiner Halle: Im Vorfeld machte mich die Vorstellung, zusammen mit 300 stinkenden, schnarchenden und in loser Abwechselung die Halle betretenden Wikingern zu nächtigen, nicht gerade an. Umso größer war die Überraschung gestern Abend beim „Einchecken“ im Ziel. Statt mit einer riesigen Meute wilder Nordmänner eine Halle zum Nachtlager zu haben, nächtigten wir in einem kleinen Schulzimmer zusammen mit einem Holländer und zwei – weder wilden noch schnarchenden – Norwegern. Völlig klar, der zweite Renntag stand unter einem guten Stern. Gut ausgeschlafen und mit der Aussicht, in den ersten Stunden des Rennens keinen Regen zu erleben und überhaupt nur schlappe 120 Kilometer mit lachhaften 1200 Höhenmetern vor uns zu haben, machte sich bereits zum Frühstück beste Laune breit.

Es gehört zu den spannenden Seiten des Reisens, neue Sitten, Gebräuche und Speisen kennenzulernen – da macht ein Etappenrennen keine Ausnahme. Zum Frühstück gibt es herrliche „Matschepampe“ aus Haferflocken, Zucker und Zimt. Lecker und mit reichlich Kraft für den Tag! Auf dem Kurs geht es als Kaltstart den nächstgelegenen Hügel hoch. Nach einigen Kilometern biegen wir auf einen wurzeligen, matschigen und welligen Singletrail ab. Der ist fantastisch zu fahren, wären da nicht die Knallköppe vor einem, die jeden richtigen Flow durch ruckartiges Bremsen bei jeder kleinen Schwierigkeit verhindern.

30 Kilometer Trail

Nach einem Wolkenbruch, der sein imposantes Ende in einem geteilten Himmel voller dunkelster Regenwolken auf der einen Seite des Tals und strahlender Sonne über den Bergen fand, sind wir wieder nass, aber durch einen satten Anstieg gut aufgewärmt auf einem Hochplateau angekommen. Auf schmalen Wegen mit tollen Wellen, Wurzeln, Matschpassagen und Flussdurchquerungen gleiten wir über fast 30 Kilometer auf einem leicht welligen Hochplateau. Das ist bis dato das Highlight des Rennens. Flow satt! Pure Natur! So soll Mountainbiken sein! Wären da nicht Svens Beine – die sind schwer im A…, und das bereits ab dem ersten Meter. So schlecht ich mich gestern zwischenzeitlich gefühlt hatte, so sehr muss Sven heute leiden. Aber wir haben unsere Strategie darauf abgestellt und sind langsamer gefahren, ich habe bei allen Abfahrten und Flachpassagen die Führung übernommen und moralische Schützenhilfe geleistet. Kurz: Wir haben es wie gestern solide ins Ziel geschafft und wieder etwa zwei Stunden auf die „epoistischen“ (das ist eine durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gesicherte Äußerung und keine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung!) Sieger verloren. Vielleicht sollte man aber eher „gewonnen“ sagen, denn wir haben etwas von Land und Leuten gesehen …

18.06.08 – 3. Etappe, Tynset – Koppang, 110 km

Wir sind gerade zwei Kilometer aus dem Ort raus und die Reifen sind an ihrer Traktionsgrenze, so steil geht es geradewegs Richtung Skihütte am Gipfel. Da es heute Nacht geregnet hat, ist der steinige und wurzelige Trail superglatt. Zudem wird er immer schmaler und Rückstau bremst uns zusätzlich aus. Wir erreichen etwas genervt und schon mit reichlich Milchsäure in den Beinen eine Hochebene. Es geht weiter über unglaubliche Singletrails. Wenige Kilometer weiter – der Puls rast immer noch vom Anstieg – wird der Weg etwas breiter. Das schafft aber keine Abhilfe, da er umso matschiger ist und wir die erste von knapp einem Dutzend „Flussdurchquerungen“ des Tages in Angriff nehmen. Sven stellt sich clever an, ich nicht! Seine Füße bleiben trocken, meine nicht!

Grüppchenbildung

Die Hektik der ersten beiden Tage ist verflogen. Nicht wenige Fahrer haben ihre Ambitionen auf den olympischen Gedanken heruntergestuft: Dabei sein ist alles! Hauptsache, das Ziel erreichen! Man sieht die gleichen Leute, die einem schon auf den letzten Etappen immer wieder begegnet sind. Kurz blicke ich nach einer kniffeligen Wurzelpassage auf: ein neues Gesicht! Und es blickt wenig glücklich. Eine gute Gelegenheit, den Gutmenschen zu machen. Zum ersten Mal helfe ich heute einem schlecht ausgerüsteten Team mit meiner Pumpe aus. Eine kurze, aber unglaublich schöne Abfahrt belohnt uns dafür.

Die Biker-Hölle ist flach

Wir erreichen die Baumgrenze. Dies ist Norwegen wie aus dem Wanderführer: Am Horizont sind schneebedeckte Berggipfel zu sehen, bis dahin dehnt sich eine Hochebene aus dichtem, bodennahen Buschwerk, kindskopfgroßen Steinen und kleinen Tümpeln, Seen und Bächen. In der Szenerie verstreut liegen einige dunkelrote Holzhäuser. Keine Straße und kein Karrenweg ist zu sehen. „Haben alle Norweger einen Helikopter?“, fragt mich Sven. Ich zucke mit den Schultern und lifte das Vorderrad über einen Stein. Fast wäre ich gestürzt; im dichten Bewuchs kann man den Weg oftmals nur erahnen. Wie Farbkleckse auf einem Grundschüler-Wasserfarbbild sind die neonfarbenen Regenjacken der anderen Radler über die Hochebene verstreut: Der Weg zum Ziel hat heute viele Haken. Wir arbeiten uns vor von Stein zu Stein, versuchen über Wurzeln zu fahren und uns durch die Matschgruben nicht aus dem Tritt bringen zu lassen. Solche Technik-Passagen gibt es bei uns in der Gegend nur auf Downhill-Strecken, und da hilft die Gravitation. Hier und jetzt ist nackte Beinarbeit gefragt! Oh Gott, wir sind hier oben auf dem Plateau in der Ebene langsamer als bergauf! Tausend kleine Antritte, um im Rollen zu bleiben, wechseln sich mit Tragepassagen ab: Sicher ist sicher! Ab Montag steht wieder Büro an und mit Gehirnerschütterung oder Gips arbeitet es sich schlecht.
Vor uns zischt es laut – ein Norweger hat sich einen Durchschlag eingefangen. Wir dürfen uns mal wieder als Gutmenschen fühlen und helfen mit unserer Pumpe aus.

Es fängt wieder an zu regnen. Auf einer Anhöhe steht ein Auto. Der Trail bleibt schmal und steinig, Matsch und Wurzeln wechseln sich ab. Alles ordentlich anspruchsvoll und sehr schön. Endlich, eine erste Abfahrt! Wir entspannen uns einen Moment, lassen rollen. Kaum 200 Meter im Downhill zeigt Sven auf eine Menschentraube am rechten Rand des Trails: Ein blutüberströmter Biker liegt eingehüllt in eine Aludecke. Die Erleichterung einer Abfahrt plus Müdigkeit plus Witterung ergeben eine sturzgefährliche Mischung. Wir bleiben bei unserer langsamen, aber sicheren Strategie: Absteigen vom Rad statt Abheben mit dem Helikopter …

19.06.08 – 4. Etappe, Koppang – Hatjell, 90 km
Radwandern im Bärenland

In Sachen Bären sind die Norweger weniger sentimental als wir Deutsche. Sie nennen ihn nicht Bruno, sie haben ihn auch (noch) nicht abgeschossen, aber sie warnen uns eindringlich davor, ihn zu streicheln, falls wir ihn sehen sollten. Seit einigen Tagen zieht ein Bär durch die Wälder von Koppang. Wir sind gewarnt, können uns aber nicht sputen, die Gegend zu verlassen. Denn es herrscht Stau auf dem Trail. Das Führungsfahrzeug hat uns nach kaum zwei Kilometern Asphalt direkt auf eine Naturpistenrampe geführt. Wer am Start im hinteren Teil des Feldes ist, fängt sich hier bereits eine Viertelstunde Rumstehen ein. Die erste Laufeinheit des Tages.

Ein klassisches Aksel-Selmer-Etappenfinale

Wir kämpfen uns bei Nebel, Regen und Wind dem Gipfel und dem Etappenziel entgegen. Vom aufgeblasenen Zeitmessbogen, der bei jeder Etappe etwa fünf Kilometer vor dem Ziel aufgestellt ist, ist nichts zu sehen. Später erfahren wir: Er ist schlicht vom Sturm weggefegt worden. Wir können uns gerade noch auf den Rädern halten und ahnen in den luftigen Höhen, was uns bevorsteht. Bisher endete jede Etappe nach einem Schema, das wir bereits nach dem Streckenchef Aksel Selmer getauft haben. Jeder Zielort will zeigen, dass er besonders schöne Trails hat – und abgesehen von Oslo gelingt dies allen Orten. Hatjell wird am Ende der TransNorway-Sieger dieser Wertung sein, denn Hatjell spielt seine Trumpfkarte perfekt aus: Wer einen Downhillpark hat, der soll ihn auch zeigen! Und so fahren wir nach 90 Kilometern Trail-Tortur echten Gravitationsrollsport mit völlig entkräfteten Armen, kalten Händen und sauren Beinen. Zudem geht es mit der Konzentration ebenso steil bergab. Gefahr im Verzug! Nach einem Dutzend überhöhter Kurven, Tabletops und Stufen fahren wir in der Talstation der Seilbahn bei Nebel über die Ziellinie. Ein Hoch auf unsere Fullys!

20.06.08 – 5. Etappe, Hatjell – Brandbu, 142 km
Königsetappe mit Solo-Einlage

Am fünften Tag in Folge steigert sich die Belastung. Heute stehen 142 Kilometer mit über 2.500 Höhenmetern an, dazu die berüchtigten Trails und das zu erwartende Aksel-Selmer-Finale. Wir starten langsam und bleiben locker, auch, als der erste Berg ansteht. Entspannt radeln wir die 45 Kilometer bis zu ersten Verpflegungsstation. Sven legt sein Rad unsanft auf die Wiese. Eine kurze Verschnaufpause mit Bananen und Salamibrot. Kaum drei Minuten später radeln wir weiter, dem Gipfel entgegen, und biegen auf dem Kamm links in einen Waldweg, der uns mit Morast und Steinen begrüßt. Krach! Sven schreit auf! Sein Rad klackert! Ein kurzer Blick, und das Drama wird offensichtlich: Schaltauge gebrochen! Nun ist meine Erfahrung aus einigen Jahren Singlespeed-Mountainbiken gefragt. Wir schrauben mein Schaltauge an Svens Rad, kürzen meine Kette und sind kaum 15 Minuten später wieder unterwegs. Die Heckfederung zieht die Kette straff auf 34er Blatt und 21er Ritzel – eine für Singlespeeder-Verhältnisse bergfreundliche Übersetzung. Unsere Reisegeschwindigkeit in der Ebene sinkt dadurch jedoch drastisch. Aber wir fahren! Die Uhr tickt, heute ist das Zeitlimit eine echte Größe für uns: Der Veranstalter hat ein Zeitfenster von neun bis 18 Uhr für die 145 km eingeräumt.

Am zweiten Stopp nach 40 Kilometern und knapp 800 Höhenmetern sind meine Beine im roten Bereich. Es muss eine Lösung her – per Singlespeed im Berggang ist das Zeitlimit Fantasterei, vielmehr müssen wir uns über den Einbruch der Dunkelheit Gedanken machen. Neben dem Tisch mit Bananen und Sportgetränken steht eine Volvo mit Anhänger. Ich luge herein: der Hänger ist voller Bikes, Überbleibsel der Aufgaben dieser Etappe. Ein kurzer Plausch, ein kurzes Telefonat und ich zücke meinen Inbusschlüssel. Ein 19-Zoll-Hardtail ist mein neuer Partner für die letzten 65 Kilometer der Etappe. Wir starten unsere Aufholjagd. Nach zehn Stunden und zwei Minuten sind wir im Ziel. Das Zeitlimit wurde auf zehn Stunden gedeckelt; ein Busfahrer sammelt die auf der Strecke verbliebenen Teams ein.

21.06.08 – 6. Etappe, Brandbu – Oslo , 105 km

Das Pferd riecht den Stall! Während vorne der Sieg ausgefahren wird, fühlen wir uns bereits als Gewinner und genießen die letzten Trails. Und wir bekommen wieder einiges geboten. Die kniffeligen Wurzelpassagen führen diesmal bergauf! Ist nicht schlimm, schiebt sich auch ganz gut und fürs Biker-Gewissen ist es auch etwas tröstlicher …

Helden im Radsport finden sich nicht immer auf dem Siegertreppchen wieder – sie haben ihren Platz in den Herzen. Petter Faste Nilsen ist der Held dieses Rennens. Seit der dritten Etappe schiebt er das Rad seines Partners Vidar Forsmo an jedem längeren Anstieg, damit dieser seine Kräfte schonen kann. Und auch auf der letzten Etappe ist er – übrigens stets bestens gelaunt – Anschieber. Und bringt sich und seinen Partner ins Tagesziel und in die Gesamtwertung. Respekt!

Epilog

Wir sind die letzten Kilometer über die Autobahn (!) nach Oslo reingefahren. Auf der gleichen Trasse werden auch die Rennradfahrer der „Styrkeproven Trondheim-Oslo“ geführt. Endlich einmal warm duschen in Oslo, denke ich mir. Denn bei meinen Rennrad-Teilnahmen war ich stets so langsam, dass die Schnellen alles warme Wasser verbraucht hatten. Heute schaue ich mir frisch geduscht die Einfahrt der Sieger an.

Unser Fazit

Die TransNorway gehört mit ihren langen Etappen und dem hohen Anteil technisch anspruchsvoller Trails sicher zu den härtesten Offroad-Etappenrennen Europas. Wer statt langer Anstiege auf Asphalt wilde Trails mag, ist hier genau richtig. 2008 war die Fahrt bereits im Januar ausgebucht; wer mitfahren will, sollte sich also frühzeitig anmelden. All Infos zum Rennen findet man unter www.styrkeproven.no

Infokasten – Rad

Welches ist das ideale Mountainbike für ein Etappenrennen, wenn man vor dem Start überhaupt keine Details kennt? Wir haben uns für ein leichtes Carbon-Fully entschieden, das uns die Firma Haibike (www.haibike.de) für das Rennen zur Verfügung stellte: Das Hai End FS ist eine ideale Verbindung aus Eleganz und Geschwindigkeit. Mit straff abgestimmter Federung ist das Fullsuspension-Bike irre schnell. Bergauf fliegt es dank des revolutionären „Platform Action Control“-Systems (PAC) ohne Kraftverlust und dennoch mit perfekter Traktion dem Gipfel entgegen; bergab hat es genügend Reserven, um schnell, komfortabel und sicher zu fahren. „Der Carbon-Monocoque-Vorderbau und der Aluminium-Viergelenk-Hinterbau stellen die ideale Verbindung aus Gewicht und Steifigkeit dar“, heißt es auf der Internetseite von Haibike. Nach über 1.500 Kilometern auf dem Hai End FS stimmen wir dieser Einschätzung zu. Die Avid-Scheibenbremsen (Juicy Carbon Ultimate, www.sram.com) waren in Kombination mit den „Racing Ralph“-Reifen (2.25–559, mit SnakeSkin-Flanke, www.schwalbe.de) in wirklich jeder Situation Herr der Lage. Wir hatten übrigens keinen einzigen Platten auf der gesamten Tour. Als äußerst nützlich hat sich der Blockierhebel für die Federgabel erwiesen; mit ihm lässt sich die Gabel jederzeit schnell blockieren und öffnen.

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