Rad am Ring: Mit dem Hot Rod durch die Grüne Hölle
Dienstag, 4. August 2015
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Dem Mythos der Nürburgring-Nordschleife, der legendären „Grünen Hölle“, kann man sich kaum entziehen. Nicht einmal dann, wenn man dem Auto weitgehend abgeschworen hat und sich die PS-Begeisterung der Jugend nicht länger auf Pferdestärken bezieht, sondern auf pedalgetriebenen Schub. Heiko Truppel, Redakteur beim pressedienst-fahrrad, war daher sofort bereit, beim 24-Stunden-Rennen „Rad am Ring“ in der E‑Bike-Klasse für das „Felt Factory Team“ an den Start zu gehen – ohne auch nur ansatzweise zu ahnen, was ihn erwarten würde.
Wir haben unser Bildarchiv aktualisiert. Dabei wurden ältere Bilder entfernt – darunter das hier verlinkte. Melden Sie sich einfach für passende Motive zum Artikel: 0551–9003377‑0.Keine Rennmaschine von der Stange
„Wir bauen ein Hot Rod“, hat Heiko Böhle, Marketingmanager bei Felt, am Telefon angekündigt. Basis für das ungewöhnliche Rennrad ist der „Outfitter“, ein E-Fatbike mit Camouflage-Lackierung, serienmäßig schon ein Hingucker. Am Vorabend wurde dem Boliden ein Rennlenker verpasst, die hintere Profilwalze durch einen wuchtigen, eigentlich für Felts Cruiser-Modelle entwickelten Semislick-Reifen ersetzt, vorne dagegen hängt ein aerodynamisches Carbonlaufrad von Zipp mit gerade mal 23 Millimetern Bereifung in der Gabel, wie man es etwa bei Zeitfahrrennrädern findet.
Wir haben unser Bildarchiv aktualisiert. Dabei wurden ältere Bilder entfernt – darunter das hier verlinkte. Melden Sie sich einfach für passende Motive zum Artikel: 0551–9003377‑0.Mann oder Maus in der Fuchsröhre?
Manuel Szech, als erster Fahrer das Versuchskaninchen, beherzigt Marcs Rat entweder zu sehr oder verdrängt die mitschwingende Bedeutung, dass man schlimmstenfalls gar nicht mehr bremsen kann. Vielleicht beflügeln ihn auch die wie aus dem Nichts aufgetauchten Menschenmassen, denn als das um die Verzögerung von sieben Stunden gekürzte Rennen endlich losgeht, wimmelt es im Start- und Zielbereich wie in einem Ameisenhaufen vor einer Lycra-Spinnerei. Allein das Teilnehmerfeld besteht in den verschiedenen Kategorien aus mehr als 5.000 Fahrern, dazu kommen rund 500 Helfer sowie unzählige Freunde, Fans und Interessierte … Jedenfalls bringt Manuel aus der ersten Runde eine Spitzengeschwindigkeit von über 90 km/h mit zurück. In der langsam hereinbrechenden Nacht wird er diesen Wert sogar noch auf beeindruckende 96,2 km/h steigern.
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Viel größer ist allerdings die Angst vor Anfeindungen von Analogfahrern. Die Rennradszene ist schließlich durch ein gewisses Traditionsbewusstsein geprägt – und wir fahren ein „Motor-Rad“. Doch die Befürchtungen sind weitgehend unbegründet. Es ist wie auf einem Radweg in der Stadt: Fahrer in teils sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten teilen sich eine rechts und links begrenzte Strecke. Bergab bin ich die Oma, bergauf die anderen. Rücksicht ist daher angesagt. Auf dem langen Anstieg Richtung Hohe Acht ziehe ich mit möglichst großem Abstand an den Rennradlern vorbei, denn ich habe enormen Respekt vor ihrer Leistung und sehe selbst die durchtrainierten Fahrer kämpfen. Ich dagegen muss nur auf der kurzen, den E‑Bikes vorbehaltenen Steilstrecke mit bis zu 27 Prozent Steigung aus dem Sattel. Dieses Stück hat es allerdings in sich.
Wir haben unser Bildarchiv aktualisiert. Dabei wurden ältere Bilder entfernt – darunter das hier verlinkte. Melden Sie sich einfach für passende Motive zum Artikel: 0551–9003377‑0.Fairness basiert auf Vertrauen
In der Nacht gibt es innerhalb der E‑Bike-Klasse Verstimmungen. Ein französisches Team, deren Fahrer wirken, als hätte ein Gentechniker das Erbgut sämtlicher Paris-Roubaix-Sieger seit 1896 kombiniert, hat sich von Beginn an souverän an die Spitze gesetzt. Plötzlich holt eine Mannschaft auf, die ein System fährt, das prinzipiell höhere Geschwindigkeiten unterstützt. Das lasse sich technisch nicht verhindern, erklärt mir ein Mitarbeiter von Bosch, dem Initiator und Organisator des E‑Bike-Rennens auf dem Ring, der selbst mit drei Teams vertreten ist. Es scheint wie im klassischen Radsport: Dort, wo man auf Fairness nur vertrauen kann, macht sich zwangsläufig Misstrauen breit. Doch selbst bei den Franzosen verfliegt der Unmut schließlich. Ein möglicher Betrug lässt sich nicht nachweisen, und der Morgen verspricht einen Traumsonntag, der ungeachtet der Platzierung alle für ihre Mühen belohnen wird. Als ich meine Runde übernehme, ist der Himmel klar, und ich genieße den sich ankündigenden Sonnenaufgang in der wunderschönen Eifellandschaft. Die eiskalten Temperaturen der Nacht nähern sich im Laufe des Vormittags wieder zweistelligen Werten, und mit der Wärme steigt die ohnehin schon gute Laune noch weiter.
Erlebnis vor Ergebnis
Eigentlich hatte ich meine letzte Runde absolviert und versucht, etwas Schlaf nachzuholen. Da weckt mich Marc. Meine Teamkollegen waren so schnell, dass im vorgegebenen Zeitrahmen noch eine Runde gefahren werden kann und wenn ich es vor 12:45 Uhr ins Ziel schaffe, wäre sogar noch eine weitere Runde drin. Es geht um nichts mehr. Die Teams, die wir schlagen konnten, haben wir im Griff, der Abstand zur Mannschaft von Riese & Müller vor uns ist dagegen zu groß, um ihn noch aufzuholen.
Wir sind alle mit demselben Rad gefahren und haben durch den ständigen Austausch von Akku, Licht und Sattelstütze sicher eine ganze Runde verloren. Aber ich sehe, dass ich noch eine Runde
Bei meiner Rückkehr an die Wechselstation ist von Enttäuschung jedoch keine Spur: Meine Mitstreiter strahlen mit der hoch am Himmel stehenden Sonne um die Wette und klatschen ab. Und auch ich bin glücklich, ich habe auf einem der berühmtesten und schönsten Rennkurse der Welt das erste Radrennen meines Lebens bestritten. Wir haben uns gut geschlagen und das wichtigste und einzige ausdrücklich erklärte Missionsziel erfüllt: zusammen eine Menge Spaß zu haben, mit dem Erlebnis vor dem Ergebnis. Beim nächsten Mal dürfen es allerdings gerne echte 24 Stunden sein.
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