Menü ☰ ☰ Login
& Suche
3.240

Karla Sommer: Die (fast) einzige AußendienstlerIN der Welt
Den Artikel als PDF herunterladenPost to FacebookPost to TwitterPost on XingPost on LinkedIn

Mittwoch, 28. April 2021

*** Bitte beachten Sie: Dieser Artikel ist zwei Jahre alt oder älter. Wir haben ihn nicht gelöscht, weil Inhalte wie Tipps, Hintergründe und Technisches noch immer gültig sind. Ansprechpartner, Produkte und Preise können sich aber zwischenzeitlich geändert haben. Für ein Update rufen Sie uns bitte an! ***

Die Fahrradbranche ist klimafreundlich, nachhaltig, zukunftsorientiert, aber (noch) nicht weiblich. Dabei bietet sie für Frauen ein breites Berufsfeld, das über die traditionelle Fahrradmechanikerin hinausgeht. In einer neuen Serie stellt der pressedienst-fahrrad ausgewählte Berufe aus der Zweiradbranche und die Frauen dahinter vor. Den Anfang macht Karla Sommer, die mit ihrer Agentur Velokin als Sales Managerin unter anderem Cosmic Sports vertritt.

(pd‑f/af) Die Leidenschaft zum Fahrrad entwickelte Karla Sommer bereits im Alter von neun Jahren. Als eines von wenigen Mädchen unter vielen Jungs nahm sie am bekannten „Nachtuhlenrennen“ im münsterländischen Stadtlohn teil. Knapp 30 Jahre später ist die Passion mittlerweile Beruf. Nach unterschiedlichen Vertriebspositionen in der Fahrradbranche machte sich die 38-Jährige 2018 mit ihrer eigenen Handels- und Consulting-Agentur Velokin selbstständig. Als Außendienstlerin und Vertriebsprofi ist sie in Norddeutschland für den Fürther Großhändler Cosmic Sports sowie diverse Fahrradmarken unterwegs – ein Job, der ihr Spaß macht. „Ich habe fast 20 Jahre im Radhandel gearbeitet, national und international. Ich wollte diese Erfahrung, das inzwischen sehr große Netzwerk und meine strategische und operative Beratungskompetenz zusammenführen. Die Idee ist sehr gut aufgegangen“, schildert Sommer ihr Geschäftsmodell. Eines blieb allerdings: Sie ist immer noch ziemlich allein unter Männern.

Kein Kompetenzgerangel beim Händler

„Im Marketing oder Innendienst treffe ich häufiger auf Kolleginnen, aber im Außendienst bin ich meistens die einzige Frau“, sagt Sommer, die auch den baskischen Fahrradhersteller Orbea vertritt. Bei ihm sei sie sogar ganz offiziell weltweit die einzige Frau im Außendienst. Für sie ein Nachteil? Ganz im Gegenteil: „Mein Eindruck ist, dass männliche Kollegen mit weniger Empathie als Frauen unterwegs sind, also wenn es zum Beispiel darum geht, mit Händler:innen Probleme zu klären“, meint Sommer. Apropos Händler: Auch das seien in der Regel Männer. „Wenn ich zu einem Händler gehe, gibt es da weniger Kompetenzgerangel, sondern eher ein Miteinander. Unter Männern kommt das Gerangel gefühlt schon mal vor“, beschreibt Sommer.

Umgang ist Generationenfrage

Wie die Reaktionen ihrer männlichen Kollegen auf sie ausfallen, sei oft eine Generationenfrage. „Ich musste mich auch schon mit handfestem Sexismus auseinandersetzen, es gab Situationen, in denen meine Kollegen das selbst gar nicht so empfunden haben, aber ich dann doch Grenzen ziehen musste“, berichtet Sommer. Was sie unangemessen und inzwischen auch aus der Zeit gefallen finde: wie Männer manchmal untereinander sprechen und dabei vergessen zu scheinen, dass eine Frau dabei ist. „Es sind diese sogenannten ‚Stammtisch-Sprüche‘ oder zum Beispiel manchmal dieses gängige Gebaren von Männergruppen gegenüber Kellnerinnen. Das finde ich etwas anstrengend und unangenehm. 2021 müsste das eigentlich nicht mehr sein.“ Viele Männer hingegen, die ungefähr in ihrem Alter seien, hätten verstanden, wie wichtig das Thema Diversität ist. „Geschlechter, Nationalitäten, Meinungen, Einstellungen – die gehen ganz anders, viel bedachter und souveräner damit um. Für viele in meiner Generation ist das ganz normal; es sind im Grunde genommen unsere Mütter, die damals schon für die Emanzipation gekämpft haben.“

Frauen müssen zunächst mit Expertise glänzen

Deshalb ist es für sie wichtig, dass auch weitere Frauen in die Fahrradbranche kommen. „Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Diversität Teams weiterbringt und sie erfolgreicher sein lässt. Wir können dadurch viel gewinnen, weil Frauen zum Beispiel ganz andere Impulse setzen als Männer.“ Unternehmen seien gefragt, ihre Strukturen für das Homeoffice, Teilzeitregelungen oder die Elternzeit anzupassen. Manche Firmen seien noch zu sehr in traditionelle Rollenbilder verhaftet, andere nähmen eine Vorreiterrolle ein. Um das Thema weiter voranzubringen, hat sich Sommer beispielsweise in eine Diskussionsrunde im Rahmen der Eurobike 2019 mit eingebracht. „Wir Frauen müssen den Unternehmen klarmachen, warum sie uns brauchen, und da müssen wir erst mal mit Expertise glänzen. Das müssen die meisten Männer ja auch“, sagt Sommer schmunzelnd.

Kein Blatt vor den Mund nehmen

Allerdings komme es nicht allein darauf an, als Frau in der Radbranche inhaltlich stark zu sein, sondern auch, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und sich nicht kleinmachen zu lassen. „Zum Beispiel, wenn ein männlicher Kollege eine Idee von mir kritisiert, werde ich sicher nicht gleich einknicken, sondern den Dialog suchen, um zu erklären, warum neue Ideen und Impulse wertvoll sein können.“ Das sei natürlich manchmal schwierig. „Aber ich glaube, es braucht diese Vorreiterinnen in den verschiedenen Berufen, die da, ich nenne es mal ‚hart durchgehen‘“, meint Sommer. Sie merke das beispielsweise bei manchen älteren Kollegen. „Sie akzeptieren mich als Kollegin, weil sie merken, dass ich fachlich etwas zu bieten habe. Aber sie erwarten eben auch, dass ich mich den Gepflogenheiten anpasse. Das gemeinsame Radfahren und abends anschließend noch ein Bier an der Bar sind oft obligatorisch, so verdient man sich sozusagen seinen Platz“, sagt Sommer.

Mentorinnen-Programm als Anreiz schaffen

Dass sie sich auch über ihr Radsporttalent Respekt unter Männern verschaffen kann, zeigt ein Blick in ihre sportliche Vita. 1999 wurde Sommer zusammen mit Charlotte Becker Deutsche Meisterin im Paarzeitfahren, gehörte auf der Straße zu den Top-Ten-Fahrerinnen und fuhr für die deutsche Jugendnationalmannschaft. Nach einer krankheitsbedingten Zwangspause entschied sie sich, ihr Fachabitur nachzuholen und den Leistungssport an den Nagel zu hängen. Auch weil sie wusste: „Als Frau werde ich mit Radsport niemals Geld verdienen, es sei denn, ich werde Zeitsoldatin. Ich wollte jedoch andere Prioritäten in meinem Leben setzen.“ Nach einer Ausbildung bei einem Fahrradversandhandel und Stationen als Vertriebsleiterin und Country Managerin für verschiedene Hersteller blickt sie somit auf eine große Branchenerfahrung zurück. Und ihr Wissen möchte Sommer gerne an andere Frauen weitergeben, die Fragen haben und sich der beruflichen Herausforderung in der Fahrradbranche stellen möchten: „Ein Mentorinnen- und Mentee-Programm für Frauen in der Branche – das will ich haben. Ich wäre dabei!“

Passende Themen beim pd‐f:

Weltfrauentag: Frauen an die Fahrradspitze

Corona und Radsport 2021: Radsponsoring ist im Wandel

Das passende Fahrrad finden

Zehn Fahrradprodukte zum Muttertag

 


Zurück zur Übersicht: Allgemein, Zurück zur Übersicht: Themenarchiv