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S‑Pedelecs: Wenn das Fahrrad zum Kraftfahrzeug wird
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Donnerstag, 5. April 2018

*** Bitte beachten Sie: Dieser Artikel ist zwei Jahre alt oder älter. Wir haben ihn nicht gelöscht, weil Inhalte wie Tipps, Hintergründe und Technisches noch immer gültig sind. Ansprechpartner, Produkte und Preise können sich aber zwischenzeitlich geändert haben. Für ein Update rufen Sie uns bitte an! ***

S‑Pedelecs sind Elektrofahrräder, die ihre Piloten bis maximal 45 km/h beim Pedalieren unterstützen. Das macht sie juristisch gesehen zum Kraftfahrzeug – mit weitreichenden Folgen für Hersteller, Mechaniker und auch Nutzer, wie der pressedienst-fahrrad ausführlich beleuchtet.
Bitte beachten: Dieser Artikel bezieht sich auf die seit 2017 gültige EU-Verordnung 168/2013 und wurde im März 2019 aktualisiert.

Zwei Personen fahren in dieselbe Richtung auf Fahrrädern durch die Stadt ? eine auf der Fahrbahn und eine auf dem geteilten Fuß- und Radweg.Begriffsklärung und Abgrenzung

Fast alle E‑Bikes sind sogenannte Pedelecs, die mit maximal 250 Watt Nenndauerleistung bis höchstens 25 km/h beim Treten unterstützen und rechtlich Fahrrädern gleichgestellt sind. Optisch kaum zu unterscheiden, aber verkehrsrechtlich eine andere Kategorie sind S‑Pedelecs (auch schnelles Pedelec oder E‑Bike 45 genannt), die mit maximal vierfacher Beinkraft unterstützen dürfen und deren Tretunterstützung erst bei 45 km/h abschaltet. Während sie von außen noch sehr nach Fahrrad aussehen, sind S‑Pedelecs jedoch verkehrsrechtlich als Leichtkrafträder eingestuft (Klasse L1e‑B bei Zweirädern und L2e bei Dreirädern). Das unterscheidet sie deutlich vom Fahrrad, wie Anwältin Franziska Klöpf vom Verkehrsrechtsberater Bikeright grob umreißt: „S‑Pedelec-Fahrer brauchen einen Helm, eine Fahrerlaubnis und ein Versicherungskennzeichen. Radwege darf man nicht nutzen und auch nicht am Fahrzeug herumschrauben wie am Fahrrad.“
2018 hatten S‑Pedelecs in Deutschland einen Anteil von rund einem halben Prozent an allen verkauften Elektrorädern. „Bei uns in der Schweiz sind ein Viertel aller E‑Bikes S‑Pedelecs – dieses Potenzial hätten sie mit den richtigen rechtlichen Voraussetzungen auch in Deutschland“, ist Anja Knaus vom schweizerischen E‑Bike-Pionier Flyer überzeugt. Der Grund: „Zwar spricht man bei den Rädern immer von 45 km/h, das bedeutet aber eigentlich nur, dass sie nicht bei 25 km/h abregeln, wie normale Pedelecs“, beschreibt Knaus weiter. „Die 45 km/h erreicht man auf der Straße eher selten und muss dann auch schon sehr kräftig in die Pedale treten. Beim normalen Pedalieren fährt man eher 30 bis 35 km/h – aber diese fünf bis zehn Stundenkilometer mehr machen die Räder für Pendler und routinierte Radler so interessant.“

Bauliches im Detail

Rein äußerlich erkennt man zweirädrige S‑Pedelecs sofort am Rückspiegel und gelben Seitenrückstrahlern, die meist an der Gabel angebracht sind. „Zudem braucht das Rad ein Versicherungskennzeichen. Seit 2015 muss es an neu zugelassenen Rädern auch beleuchtet sein“, konkretisiert Sebastian Göttling vom Beleuchtungsspezialisten Busch & Müller. Auch eine Hupe ist bei S‑Pedelecs vorgeschrieben, ebenso ein Seitenständer, der muss aber bei Fahrzeugen, die weniger wiegen als 35 Kilogramm, nicht von selbst einklappen. An mehrspurigen S‑Pedelecs der Klasse L2e, Liegedreirädern etwa, ist seit 2017 ein Blinker vorgeschrieben und auch der Füllstand der Bremsanlage muss erkennbar sein.
Hersteller von S‑Pedelecs müssen für jedes Modell vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) eine EU-Typgenehmigung einholen oder eine Einzelbetriebserlaubnis für ein bestimmtes Fahrzeug nachweisen, wofür dieses von einem Technischen Dienst oder anerkannten Sachverständigen (z. B. TÜV, Dekra) begutachtet werden muss. Hat ein S‑Pedelec die Typgenehmigung einmal erhalten, darf es in der EU beliebig oft in den Handel kommen.
„Ein S‑Pedelec darf man aber nicht baulich verändern, wie man das mit dem Fahrrad einfach macht. Die verwendeten Bauteile müssen immer der Betriebserlaubnis entsprechen, egal ob sie im Einzelfall oder durch die Typgenehmigung erteilt wurde“, gibt Harald Troost vom niederländischen Hersteller Koga zu bedenken. Ist etwa ein Reifen verschlissen oder ein Bremshebel verbogen, muss er durch ein entsprechendes Bauteil ersetzt werden. Ein anderes Teil müsste ausdrücklich den in der Betriebserlaubnis (BE) aufgeführten Teilen entsprechen. Troost weiter: „Stattet man ein S‑Pedelec anders aus als in den Papieren steht, muss man es dem Technischen Dienst vorführen, bevor man damit wieder auf die Straße darf.“ Für den Endverbraucher heißt das: Vorbei ist die Zeit des Selberschraubens – zumindest weitestgehend. Im Typenblatt des Fahrzeugs (dem sogenannten CoC-Papier, vergleichbar mit dem Kraftfahrzeugschein) ist beispielsweise festgehalten, welche äußeren Abmessungen das Fahrzeug hat – mit Lenker und Lenkervorbau verändert man die schnell. „In unseren Typgenehmigungen finden sich auch verstellbare Vorbauten. So können Händler und Kunden das Rad ohne Probleme ergonomisch anpassen,“ macht Markus Riese, Geschäftsführer vom Darmstädter Hersteller Riese & Müller, einen möglichen Umgang mit den Regularien deutlich. Die Dimension der Reifen ist ebenfalls konkret im CoC-Papier festgeschrieben. „Wenn man Reifen wechseln will, findet man dort die infrage kommenden Breiten. Außerdem benötigt der zu montierende Reifen eine ECE-R75 genannte Zulassung, um an einem S‑Pedelec verbaut zu werden“, erklärt René Marks, Produktmanager bei Schwalbe. Auf den Verschleiß des Profils müsse man ebenfalls achten: Eine Mindestprofiltiefe von einem Millimeter ist Pflicht. „Wir reden hier eben nicht mehr über das Fahrrad, sondern befinden uns im Kraftfahrzeugzulassungsrecht: Grundsätzlich gilt, dass man an Kraftfahrzeugen nichts ändern darf, ohne die Änderungen beim TÜV hinterher eintragen zu lassen – wie bei allen anderen Kfz eben auch!“, verdeutlicht Ulf-Christian Blume, Jurist und Unternehmensberater in der Radbranche (www.lbu-beratung.de). Allerdings, schränkt Blume ein, ist die Realität hier oft von der Theorie deutlich entfernt: „Nehmen wir das Motorrad: Viele tauschen hier auch eine verschlissene Sitzbank gegen eine ähnliche, weil es die alte vielleicht nicht mehr zu kaufen gibt. Auch hier müsste man eigentlich auch zum TÜV, es machen eben nur nicht alle … legaler wird es aber dadurch nicht.“ Würde man trotzdem den persönlichen Vorlieben entsprechend etwa Griffe, Sattel und Pedale ändern, sollte man vergleichbare Teile verwenden. Schraubgriffe dürfen nicht durch eventuell rutschende Gummigriffe ersetzt werden, Sättel mit Stahlgestell nicht durch Carbonsättel und gummierte Plattformpedale nicht durch Klickpedale, zumal letztere selten über die von der StVZO vorgeschriebenen Rückstrahler verfügen.

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Alles andere, was die Abmessungen des Rads verändert, ist ohne Eintragung tabu, wie etwa die beliebten Lenkerhörnchen. Blume dazu: „Was ich aber im Rahmen des Zulässigen ansiedeln würde, ist, z. B. einen Sattel gleicher Firma, Art und Modell gegen einen solchen eine Nummer schmaler oder breiter zu tauschen.“

Auch beim Antrieb darf man nicht munter umbauen. „Aufgrund der Spezifikation von Motor, Sensorik, Ritzel und Schaltung ist außerdem eine Übersetzung vorgegeben, die man nicht ändern darf “, erklärt Volker Dohrmann vom Hamburger Hersteller Stevens. Eine kürzere, also leichtere Übersetzung ist möglich, aber eintragungspflichtig. „Bezüglich der einzelnen Schaltkomponenten braucht es aber keine Herstellervorgaben, etwa bei Schalthebeln und Schaltwerken“, fügt Dohrmann hinzu. Veränderungen der Bremskomponenten hingegen sind grundsätzlich abnahmepflichtig. Verschlissene Bremsbeläge darf man eigenverantwortlich durch originale Beläge des Bremsenherstellers ersetzen – der Tausch muss aber einer eventuellen Prüfung durch den Fachhandel oder Behörden standhalten. „Es braucht schon einen versierten Hobbyschrauber, um sich mit Bremssystemen auseinanderzusetzen“, schränkt Tobias Erhard vom Komponentenhersteller Sram ein. „Im Zweifel sollte das immer eine Fachwerkstatt übernehmen. Bei S‑Pedelecs ist überdies zu beachten: Der Bremshebel muss ein Kugelende aufweisen, wie der Motorradbremshebel auch. Nach einem Tuning auf kürzere MTB-Bremshebel etwa könnte das S‑Pedelec bei einer Verkehrskontrolle stillgelegt werden“, so Erhard weiter. „Als Richtschnur gilt immer die Zulassung des Fahrzeugs“, fasst Branchenjurist Blume zusammen. „Ab 2016 neu typgenehmigte Fahrzeuge brauchen zum Beispiel ein Bremslicht, ältere S‑Pedelecs dürfen auch ohne gefahren werden. Dieser Bestandsschutz bedeutet: Alles was vorher dran war, muss auch wieder dran und alles was nicht dran war, darf auch nicht dran.“

Rechtliches im Alltag

Vielen rechtlichen Vorschriften für die Fahrzeugklasse S‑Pedelec liegt die sogenannte bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit (bbH) zugrunde. In der seit 2017 geltenden EU-Verordnung 168/2013 werden die S‑Pedelecs in der Kategorie L1e‑B bis zu einer bbH von 45 km/h eingestuft. Dies ist die maximale Geschwindigkeit, bei der die Tretunterstützung des Motors abgeschaltet sein muss. „Die 45 km/h sind jedoch irreführend, da die meisten S‑Pedelecs aufgrund der zur Verfügung stehenden Unterstützungsleistung nur bis ca. 35 km/h ohne große Anstrengung gefahren werden können. Um 45 km/h zu erreichen, muss man schon sehr kräftig in die Pedale treten“, erklärt Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV e. V.). Einer Untersuchung der Uni Chemnitz aus dem Jahre 2014 zufolge liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit von S‑Pedelecs bei 23,2 km/h, die von 25er-Pedelecs bei 17,4 km/h.

Hintergrund: Die bbH zu bestimmen, erwies sich aufgrund des einmaligen Hybridantriebs Mensch/Motor als schwierig. Zuvor argumentierten auch die prüfenden Technischen Dienste, dass die bbH als die allein aus der Motorkraft resultierende Maximalgeschwindigkeit zu verstehen sei, wie bei anderen Kraftfahrzeugen auch. Beim S‑Pedelec entspricht das der Anfahrhilfe, die per Knopfdruck gesteuert wird und je nach Modell (laut Typgenehmigung bzw. Einzelabnahme) bei 15 bis 24 km/h liegt . Darum wurden S‑Pedelecs in der zuvor gültigen EU-Verordnung 2002/24 als Mofa-ähnliche Fahrzeuge gehandhabt.

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Aus der bbH resultiert laut § 21a Abs. 2 StVO die Pflicht, einen „geeigneten Schutzhelm“ zu tragen. „Ob ein Radhelm oder ein Motorradhelm geeigneter ist, steht dort nicht genauer“, weiß Torsten Mendel, Sicherheitsexperte bei Abus. „Experten empfehlen durch die Reihe den Fahrradhelm. Denn auf dem S‑Pedelec bewegt man sich viel aktiver als auf dem Motorrad – da wäre der Motorradhelm einfach zu schwer und warm“, schildert Ulf-Christian Blume. Schon auf dem Deutschen Verkehrsgerichtstag 2012 in Goslar waren sich die Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Polizei und Verbänden einig, dass ein Motorrad-Integralhelm als nicht geeignet angesehen werden kann, wie Blume berichtet. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass eine neue Helmgattung speziell für S‑Pedelecs auf den Markt kommen wird. In den Niederlanden ist der kurz „E45-Helm“ genannte Kopfschutz seit 2017 im Verkehrsgesetz Realität und wird über die nationale Norm NTA 8776 definiert: Er bietet mehr Schutz als ein Fahrradhelm, ist aber kaum schwerer und beeinträchtigt auch die akustische Wahrnehmung seines Trägers im Verkehr nicht.

Als Kraftfahrzeug ist beim S‑Pedelec auch die Anzahl der Sitze im Fahrzeugschein festgeschrieben, was seine Eignung als Familienmobil stark einschränkt. „Anders als beim herkömmlichen Pedelec ist es verboten, mit dem S‑Pedelec einen Kinderanhänger zu ziehen. Auch in einem Autoanhänger dürfen ja keine Personen sitzen“, verdeutlicht Hanna Gehlen vom

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Anhängeranbieter Croozer aus Köln. Ein Kindersitz wäre demnach erlaubt, wenn erstens der Sitz als solcher zugelassen ist und zweitens die entsprechende Anzahl der Sitze des Fahrzeugs in der Typgenehmigung festgeschrieben ist. Dafür bedarf es einer Ausnahmegenehmigung von einer Zulassungsstelle – wie sie etwa für das schnelle Lastenrad „Load HS“ von Riese & Müller vorliegt, das mit Kindersitz in der Ladefläche erhältlich ist. „Theoretisch dürfte man zwar einen Lastenanhänger an das S‑Pedelec hängen. Allerdings müsse die Kupplung ‚in genehmigter Bauart‘ ausgeführt sein und müsse der Anhänger die ‚spezifischen Beleuchtungselemente‘ aufweisen“, zitiert Hanna Gehlen aus den Bestimmungen. Tatsächlich sind aber, Stand März 2018, keine für das S‑Pedelec zugelassenen Kupplungen erhältlich.
Wie Motorräder müssen S‑Pedelecs permanent mit Licht fahren. Außerdem gilt ein Mindestalter von 16 Jahren, bedingt durch die Führerscheinpflicht (Klasse AM). Dieser ist im Autoführerschein (Fahrerlaubnisklasse B, vormals 3) enthalten. Ausnahmen bilden die fünf nicht mehr ganz so neuen Bundesländer: In einem Modellprojekt dürfen hier bis Ende April 2020 bereits 15-Jährige den Führerschein der Klasse AM erwerben. Mofas dürfen von Menschen, die vor dem 01.04.1965 geboren wurden, ohne Fahrerlaubnis bewegt werden – auf S‑Pedelecs trifft das seit 2017 nicht mehr zu.
„Als Leichtkrafträder benötigen S‑Pedelecs das Versicherungskennzeichen, das man vom Moped und Roller kennt: drei Ziffern, drei Buchstaben und jedes Jahr eine neue Farbe“, sagt Jasmin Schindelmann von Haibike. Für S‑Pedelecs habe das einen finanziell sehr interessanten Aspekt: „In der Leistung der vorgeschriebenen Versicherung ist neben Unfallschäden auch der Diebstahl des Fahrzeugs abgedeckt.“ Für ab etwa 50 Euro jährlich und bei Fahrzeugpreisen ab etwa 3.000 Euro sei das ein im Gegensatz zu Fahrradversicherungen ziemlich günstiger Posten.
Ein anderer Aspekt, in den das S‑Pedelec noch eingeordnet gehört, ist die Betriebsgefahr, wie Verkehrsanwältin Franziska Klöpf erläutert: „Bei einem Unfall zwischen einem Auto und einem Fahrrad haftet der Autofahrer grundsätzlich zu mindestens 25 Prozent, einfach weil er der wesentlich stärkere Verkehrsteilnehmer ist.“ Da S‑Pedelecs nun rechtlich zwischen Fahrrad und Motorrad stehen, könnte das Prinzip Betriebsgefahr auch auf sie angewendet werden. „Allerdings gibt es hierzu bisher noch keine Rechtsprechung“, sagt Klöpf.
Schlussendlich ändert sich übrigens auch die Promillegrenze. Während man mit dem Fahrrad bis 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration fahren darf, gilt beim S‑Pedelec wie bei Auto oder Motorrad die Grenze von 0,5 Promille.

Umdenken in Sachen Streckengestaltung

Zwar sollten nur geübte Radfahrer auf S‑Pedelecs steigen, doch zeitigt Fahrradroutine auch ihre Tücken für das Lenken der Leichtkrafträder. Denn: „Viele der mit dem Fahrrad üblichen Wege und Abkürzungen darf man mit dem schnellen E‑Rad nicht benutzen“, stellt Franziska Klöpf klar. „Dazu zählen in Gegenrichtung freigegebene Einbahnstraßen und auch Feld- und Waldwege mit dem ‚Durchfahrt verboten‘-Schild, dem roten Kreis auf weißem Grund.“ Selbst mit ausgeschaltetem Motor dürfen sie dort nicht gefahren werden. Offensichtlich am problematischsten ist, dass S‑Pedelecs grundsätzlich nicht auf dem Radweg fahren dürfen – und zwar sowohl innerorts als auch außerorts. „Dass das zwangsläufig zu Irritationen anderer Verkehrsteilnehmer führt, die nämlich S‑Pedelecs für Fahrräder halten und von der Straße hupen, liegt auf der Hand. Dass aber S‑Pedelec-Fahrer etwa auch vierspurige Bundesstraßen benutzen müssen und nicht auf den Radweg daneben dürfen, macht deutlich, dass die aktuelle Gesetzgebung noch fern von fertig ist“, kritisiert Paul Hollants vom Liegeradhersteller HP Velotechnik. „Theoretisch können Kommunen einzelne Radwege explizit für S‑Pedelecs freigeben“, wie Roland Huhn, Verkehrsrechtsspezialist beim Radfahrerverbands ADFC e. V. erklärt, „allerdings ist mir bisher kein Fall einer solchen Freigabe bekannt.“ Schilder mit dem Vermerk „E‑Bikes frei“ oder „Mofas frei“ betreffen S‑Pedelecs laut Huhn ausdrücklich nicht.
Der Bundesgeschäftsführer des ADFC, Burkhard Stork, sieht eine deutliche Stärke von S‑Pedelecs darin, Kfz-Fahrten von Pendlern aufs Rad zu bringen. „Der ADFC tritt allerdings entschieden gegen S‑Pedelecs auf Radwegen innerorts ein, vor allem mit Blick auf den Schutz schwächerer und unsicherer Radfahrer, wie etwa Kindern und Senioren. Die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen S‑Pedelecs und langsameren Fahrern ist für Radfahren in großer Zahl nicht hilfreich und macht das zunichte, was hart erkämpfte, gute neue Radinfrastruktur ausmacht“, argumentiert Stork. Er weist darauf hin, dass innerhalb der Fahrradszene die sehr kleine Gruppe von S‑Pedelec-Fahrern die große Gruppe der Fahrradfahrenden übertöne.
„Das Radwegverbot für S‑Pedelecs ist in meinen Augen der Hauptgrund für das geringe Wachstum dieser Fahrzeuggattung“, sagt Markus Riese. „Dabei böten die 45-km/h‑Räder eine echte Chance, Pendler vom Auto aufs Zweirad zu bekommen. Natürlich dürften S‑Pedelecs auf Radwegen in Städten nicht 45 fahren, das kann man aber über eine Geschwindigkeitsbeschränkung regeln. S‑Pedelecs haben hierfür einen Tacho, die Fahrer einen Führerschein und im Übrigen fahren auch Sportradler auf dem Radweg nicht so schnell wie sie könnten.“ Das Stichwort angepasste Fahrweise und der Vergleich zum Auto werden in diesem Zusammenhang häufig genannt – Pkw wird das Fahren in der Stadt schließlich auch nicht untersagt, weil sie auf der Autobahn 200 km/h erreichen könnten.
Andere Experten setzen sich durchaus für die gemeinsame Radwegbenutzung mit S‑Pedelecs ein, wie etwa VSF (Verbund Service und Fahrrad) und ZIV. Uwe Wöll vom VSF berichtet nach einer Befragung von Einzelhändlern: „Dürfte das S‑Pedelec auf den Radweg, würden deutlich mehr Menschen eins kaufen. Ein zweiter Grund ist das gefährliche Verhalten von Autofahrern gegenüber Radfahrern auf den Straßen – wäre das respektvoller, würde die Radwegnutzung nicht im Fokus stehen.“ Beim ZIV fordert Siegfried Neuberger: „Das Verbot ist ein Missstand, der zügig abgestellt gehört! Wir setzen da große Hoffnungen in den neuen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Außerhalb geschlossener Ortschaften sollten S‑Pedelecs immer auf den Radweg dürfen.“ Innerorts halte er das Fahren mit S‑Pedelecs nur auf den schmalsten Radwegen für problematisch, so Neuberger. Oft wird das Argument genannt, dass eine Verkehrsinfrastruktur, wie sie der Radverkehr ohnehin dringend benötige, auch unproblematisch von S‑Pedelecs benutzt werden könne. „Manchmal sind Radwege ja schon so schmal, dass Radfahrer einander nicht gefahrlos überholen können“, erklärt Andreas Hombach vom Stadtmöblierer WSM. „Die in Deutschland vorhandene Infrastruktur ist vornehmlich für Autos ausgelegt und selbst dort, wo etwas für den Radverkehr getan wird, profitiert man als Fahrer eines S‑Pedelecs nicht davon.“

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Vorbild Schweiz

„Die Erfahrungen in der Schweiz zeigen ein anderes und unproblematisches Bild“, sagt Anja Knaus von Flyer. „Der Marktanteil der S‑Pedelecs ist hier 25 mal so hoch wie in Deutschland!“ Der Grund: Die schnellen E‑Räder dürfen in der Schweiz den Radweg benutzen. Fachjournalist Marius Graber aus Luzern bewertet die Erfahrungen als durchweg gut: „Konflikte, die es gibt, ordne ich eher der gestiegenen Dichte auf den Radwegen zu. Je mehr Velofahrer es gibt, desto mehr Rücksichtslose gibt es. Und die fallen auf.“ Auch Graber verdeutlicht: So viel schneller als andere Radfahrer sind solche mit S‑Pedelecs nicht. „Daher verträgt sich das gar nicht so schlecht . Wenn die Radwege gut gebaut sind, erst recht nicht.“

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Umdenken in der Industrie

Das S‑Pedelec hat der gesamten Fahrradbranche einen kräftigen Evolutionsschritt beschert. „S‑Pedelec-Hersteller sind einem Qualitätsmanagement verpflichtet – was sich automatisch auf ihre restliche Palette auswirkt“, weiß Branchenjurist Blume. Aber auch in den Fachwerkstätten muss umgedacht und weitergebildet werden. Verständlich, dass einige Händler das ablehnen. „Die Unsicherheit ist auch seitens der Läden oft nicht klein“, erklärt Uwe Wöll vom VSF. „Ein auf E‑Bikes spezialisiertes Geschäft hat da natürlich Vorsprung, was die Auswahl an Modellen und auch das Know-how betrifft.“

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Fazit

Die schnellen E‑Räder sind in Deutschland nicht so beliebt wie anderswo. Vor allem bei Pendlern könnten sie häufiger das Auto ersetzen, erhöhen sie doch den Aktionsradius signifikant. „Schnelle Elektroräder helfen, die noch große Lücke in der Individualmobilität zwischen Fahrrädern und Autos zu schließen“, ist sich Paul Hollants sicher, denn ein gutes Zehntel aller Liege-E-Trikes seiner Firma HP Velotechnik sind heute schon S‑Pedelecs. Letztlich erfordert das S‑Pedelec ein deutliches Umdenken – auf allen Seiten. Der Gesetzgeber sollte dringend die Nutzung dieser Räder vereinfachen und muss dringend die letzten Grauzonen ausräumen – da sind sich die Branchenstimmen einig. Im Alltag müssen sich alle

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Verkehrsteilnehmer daran gewöhnen, dass nicht mehr nur Rennradfahrer schnell unterwegs sind: „Ein S‑Pedelec sieht wie ein Fahrrad aus. Will man es aus Gewohnheit überholen, fährt man im Ort schnell mal 70“, so Andreas Hombach. Für S‑Pedelec-Fahrer wird plötzlich das Stichwort „angepasste Geschwindigkeit“ viel wichtiger als auf dem Fahrrad: Man fährt nicht mehr immer so schnell wie man gerade kann. In Kurven auftretende Kräfte oder Bremswege heißt es neu zu bewerten. Es ist also ratsam, nur als versierter Radfahrer auf das S‑Pedelec zu steigen und/oder ein Fahrtechnikseminar zu besuchen – und dann noch aufmerksamer unterwegs zu sein als mit dem Fahrrad.

H. David Koßmann | pressedienst-fahrrad

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