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Interview: „In einer Fahrradstraße dürfen Autos nicht fahren“
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Dienstag, 5. Februar 2019

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Wie verhalte ich mich korrekt in einer Fahrradstraße? Dürfen E‑Bikes auf den Radweg? Wer hat warum Schuld an einem Unfall? Radfahrer sind im Alltag mit vielen unterschiedlichen Fragen konfrontiert. Anwältin Claudia Schulze-Domnick von der Fahrradrechtsberatung Bikeright klärt wichtige Fragen für den alltäglichen Radweg – und sorgt mit manchen Antworten sicherlich für einen Aha-Effekt.

pressedienst-fahrrad: Wie überholt man einen Linien- bzw. Schulbus als Radfahrer korrekt, wenn er mit eingeschalteten Warnlichtern an der Bushaltestelle steht? Zählt die Regelung mit Schrittgeschwindigkeit wie für Autofahrer genauso für Radfahrer?
Claudia Schulze-Domnick: Radfahrer dürfen einen mit Warnblinklicht an einer Haltestelle stehenden Bus (Schulbus oder öffentlicher Nahverkehr) nur mit Schrittgeschwindigkeit und besonderer Rücksicht auf aus- und einsteigende Fahrgäste überholen, gegebenenfalls müssen sie absteigen. Das gilt sogar auf einem eigentlich bevorrechtigten Radweg, der rechts an dem Bus vorbeiführt.

Was passiert, wenn man in voller Fahrt einen Unfall mit einem kreuzenden Schulkind baut? Wie kann die Schrittgeschwindigkeit überprüft werden, wenn man keinen Tacho hat bzw. nicht geblitzt werden kann und so eine Bestrafung unmöglich ist?
Bei einem Unfall in voller Fahrt mit kreuzendem Schulkind dürfte der Radfahrer die weit überwiegende Schuld am Unfall haben. Die Geschwindigkeit läßt sich nur durch Zeugenangaben oder gegebenenfalls durch eine Helmkamera belegen.

Warum ist der Kettenschutz an Kinderrädern wichtig? Was passiert, wenn man ihn abbaut?
Der Kettenschutz soll lediglich verhindern, dass sich Kleidung im Antrieb verhakt und es zu einem Sturz kommt. Er gehört nicht zur Ausrüstung, die ein Rad nach der StVZO verkehrssicher macht und daher erforderlich ist. Allerdings befand das OLG Wuppertal im Oktober 2017 hierzu: „Von der Benutzung eines Fahrrads ohne Kettenschutz durch ein Kind gehen besondere Gefahren für Rechtsgüter Dritter aus.“ Demnach können Eltern haftbar gemacht werden, wenn ein Kind einen Unfallschaden aufgrund eines fehlenden Kettenschutzes verursacht. Also sollte man ihn besser dranlassen, bzw. bei Beschädigung reparieren.

Laut StVO haben Radfahrer in der Fahrradstraße grundsätzlich Vorrang. Was gilt, wenn der Radfahrer ein parkendes Hindernis auf seiner Fahrbahnseite hat? Muss ein entgegenkommendes Auto ihm immer noch Vorrang gewähren?
In einer reinen Fahrradstraße dürfen Pkw gar nicht fahren und auch nicht parken. Radfahrer dürfen dort auch nebeneinander fahren. Da auch bei zugelassenen Kraftfahrzeugen der Vorrang der Radfahrer gilt und nebeneinander gefahren werden darf, dürfte dem überholenden Radfahrer durch den Gegenverkehr auch der Vorrang zu gewähren sein. Eine explizite Aussage dazu habe ich leider nicht gefunden.

Wenn die Fahrradstraße eine gleichberechtigte Straße kreuzt, gilt dann der Radfahrervorrang oder ganz normal rechts-vor-links?
An Kreuzungen gilt auch bei reinen Fahrradstraßen keine Vorfahrtregelung sondern „rechts vor links“.

Wie sollten Radfahrer am besten auf zu enges Überholen reagieren?
Der angemessene Abstand, in dem ein Auto einen Radfahrer überholen muss, beträgt 1,50 Meter. Eingehalten wird der Abstand eher selten. Gegen diese Ordnungswidrigkeit vorzugehen, ist schwierig. Man könnte den Hergang mit einer Helmkamera dokumentieren und zur Anzeige wegen Nötigung bringen. Das Verfahren würde aber höchstwahrscheinlich eingestellt werden.

Dürfen E‑Bikes auf normalen Radwegen fahren, unabhängig von der Breite des Wegs? Dürfen sie auf Zweibahn-Radwegen fahren, die auch Gehweg sind? Dürfen S‑Pedelecs auf Radwegen fahren?
Auf dem Radweg sind nur E‑Bikes bis 250 Watt erlaubt, genauer Pedelecs, die beim Treten bis 25 km/h unterstützen. E‑Bikes mit Handgasgriff und mehr Watt dürfen nur auf einem Radweg fahren, wenn er für per Straßenschild explizit für E‑Bikes freigeben wurde. Für die schnelleren S‑Pedelecs sind Radwege inner- und außerorts verboten.

Wer haftet, wenn es dort zu einem Unfall kommt? Der Fußgänger, weil er sich „falsch“ verhalten hat? Der Radfahrer, weil er zu schnell gefahren ist? Was ist zu schnell? Oder haftet die Stadt, weil sie einen Radweg ausgewiesen hat, der ungeeignet ist?
Hier kommt es auf die genaue Unfallsituation an. Wenn der E‑Bike-Fahrer z. B. mit 30 km/h auf dem Radweg/ Fußweg unterwegs war und der Fußgänger durch Unachtsamkeit auf den Radweg geriet, werden beide haften nach festzusetzender Mitverschuldensquote. Für die Frage, was zu schnell ist, kommt es auch auf den Einzelfall an. Für sehr viele Fußgänger und Kinder können auch 20 km/h zu schnell sein. Einen Richtwert habe ich nicht gefunden.

Darf ich beim Radfahren mit Kopf- oder Ohrhöhrern Musik hören?
Ja, aber nur so laut, dass man das Verkehrsgeschehen (z. B. andere Fahrradklingel) noch mitbekommt.

Darf ich mit dem Lastenrad-S-Pedelec während für den „Lieferverkehr frei“-Zeiten in Fußgängerzonen fahren, wenn ich dort liefere? Also wie z. B. ein Lkw auch?
Die Voraussetzung ist alleine, dass es sich um Lieferverkehr handelt, d. h. es muss sich um eine Lieferung eines Gewerbetreibenden handeln, nicht um eine Privatperson und es muss tatsächlich in die Zone geliefert werden. Die Art des Lieferfahrzeug ist nicht definiert.

Bekomme ich als Radfahrer bei entsprechendem Fehlverhalten auch Punkte im Flensburger Katalog?
Grundsätzlich kann es Punkte und sogar Fahrverbote geben. Es gibt unter www.bussgeldkatalog.org einen Bußgeldkatalog für Radfahrer, dort sind die einzelnen Verstöße und die Folgen aufgeführt.

Darf ich mit einem S‑Pedelec einen Kinder- oder Hundeanhänger ziehen? Brauchen diese ggf. besondere Anbauten?
Der Personentransport im Anhänger ist mit keinem Kraftfahrzeug erlaubt. Unseres Wissens nach dürften zumindest Lasten- und Hundeanhänger von S‑Pedelecs gezogen werden, wenn die Anhängerkupplung über ein Prüfzeichen verfügt, also eine Freigabe hat [§ 22a (1) Nr.6 StVZO]. Faktisch gibt es aber derzeit keine einzige Kupplung mit einer Freigabe für diese Anwendung. Dabei sind einachsige Anhänger auch zulassungsfrei [§ 18 (2) Nr. 6h StVZO] und erfordern nur eine Betriebserlaubnis [§ 18 (3) Nr. 3 StVZO]. Ausgenommen sind Anhänger, die vor dem 01.07.61 in Betrieb gekommen sind. Für den Fall, dass man einen Anhänger eines Tages am S-Pedelec benutzen dürfte, müsste dieser dann auch über ein eigenes Versicherungskennzeichen verfügen.

H. David Koßmann | pressedienst-fahrrad

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