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Natascha Grieffenhagen: „Der Blick hat sich verändert, doch es gibt noch viel zu tun“
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Donnerstag, 1. Juli 2021

*** Bitte beachten Sie: Dieser Artikel ist zwei Jahre alt oder älter. Wir haben ihn nicht gelöscht, weil Inhalte wie Tipps, Hintergründe und Technisches noch immer gültig sind. Ansprechpartner, Produkte und Preise können sich aber zwischenzeitlich geändert haben. Für ein Update rufen Sie uns bitte an! ***

Die Fahrradbranche ist klimafreundlich, nachhaltig, zukunftsorientiert, aber (noch) nicht weiblich. Dabei bietet sie für Frauen verschiedene Berufsfelder, die über die traditionelle Fahrradmechanikerin hinausgehen. In einer Serie stellt der pressedienst-fahrrad ausgewählte Berufe aus der Zweiradbranche und die Frauen dahinter vor. Heute: Natascha Grieffenhagen. Sie leitet das Team Forschung & Entwicklung und Produktmanagement beim Anhängerspezialisten Croozer in Hürth.

(pd‑f/af) Ursprünglich hatte Natascha Grieffenhagen einen ganz anderen beruflichen Weg eingeschlagen. Doch es gab es immer einen roten Faden in ihrem Leben – das Fahrradfahren und die Liebe zum Rad. „Manchmal erkennt man das allerdings erst später“, sagt die 48-Jährige, die aus Ostfriesland stammt – wo das Fahrrad als natürliches Fortbewegungsmittel gilt. Sie lernte nicht nur früh Rad zu fahren, sondern auch alles selbst zu reparieren. Klapperte etwas an ihrem Rad oder streikte das Rücklicht, dann sagten ihre Eltern lediglich: „Du weißt ja, wo das Werkzeug ist.“ Als Mädchen baute sie ihr altes Kinderfahrrad um, um damit auf einer Baustelle BMX zu fahren. „Das fand ich toll“, sagt Grieffenhagen, die nach dem Abitur zu einer Radreise in die Niederlande aufbrach. Mittlerweile sind viele weitere Länder und viele Reisen auf verschiedenen Rädern dazu gekommen, so etwa Touren mit dem Faltrad durch Malaysia und Thailand.

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Auf Umwegen in den Fahrradladen

Natascha Grieffenhagen entschied sich für ein Lehramtsstudium, merkte jedoch schnell: „Das ist nicht so mein Ding.“ Danach absolvierte sie eine Ausbildung zur Damenschneiderin. Die Arbeit war jedoch nicht sehr gut bezahlt, sodass sie auf Nebenjobs angewiesen war. „Über eine Freundin kam ich dann zum Fahrradladen ‚Rad ab‘ in Düsseldorf, zunächst als Aushilfe, dann in Festanstellung und später in der Geschäftsleitung“, sagt Grieffenhagen. „Da war von Anfang an echte Leidenschaft im Spiel. Ich liebe all die tausend Teile, die Kataloge, die ganzen Spezifikationen.“ Sie lernte Namen von Fahrradbauteilen auswendig, ebenso die Antworten auf typische Fragen, um in Verkaufsgesprächen gewappnet zu sein. Außerdem wurde schnell klar: „So wie andere für Schuhe schwärmen, schwärme ich für Anhänger, die dann, zusammen mit Falträdern, auch mein Spezialgebiet bei der Beratung wurden.“

Es hat zahlreiche Situationen gegeben, in denen sich Natascha Grieffenhagen mit Zweifeln konfrontiert sah: Eine Frau in einem Fahrradgeschäft, die genauso kompetent berät wie ein Mann?! So sei einmal ein älterer Herr in den Laden gekommen, der sie mit den Worten begrüßte: „Junge Frau! Ich brauche einen Schlauch!“ Grieffenhagen musterte sein Fahrrad, das vor dem Laden stand, und erwiderte: „Ein 622er Dunlopventil, hier, bitte schön“. Der skeptische Kunde vergewisserte sich dann bei Grieffenhagens Kollegen: „Meinense, dat is richtig?“ Es gab auch Kunden, die von vornherein sagten, sie möchten lieber von einem Mann beraten werden. Doch wenn es um ihre Spezialgebiete Anhänger und Falträder ging, wandten sich die Kollegen an sie. „Dann waren die Kunden, die mich vorher abgelehnt hatten, peinlich berührt“, so Grieffenhagen.

Ständige Weiterbildung

Über die Jahre hat sie ihr technisches Wissen vertieft und erweitert, Fortbildungen und Kurse besucht. In ihrer Freizeit werkelt sie gerne in ihrer eigenen kleinen Werkstatt. „Ich denke nicht, dass viele männliche Kollegen das auch so machen, ihnen glaubt man einfach viel eher. Dass meine Grundkompetenz und Entscheidungsbefugnis angezweifelt wurden, hat mich angespornt. Ich kann mir auf alle Fragestellungen Antworten erarbeiten und konnte die Kunden immer kompetent beraten. Das hat mich immer sehr bestätigt.“ Bestätigung kam auch stets von ihren männlichen Kollegen, betont Natascha Grieffenhagen. Wenn der Beruf Spaß macht und man eine Leidenschaft dafür besitzt, was man tut, dann könne man „die paar negativen Bemerkungen einfach wegatmen.“ Sie hat ihre Leidenschaft für Fahrradanhänger zum Hauptberuf gemacht und arbeitet seit 2011 beim Anhängerspezialisten Croozer in der Nähe von Köln. „Ich begleite alle Prozesse von der Idee über die Entwicklung bis hin zur Produktion, sprich vom ersten Entwurf bis zum fertigen Anhänger.“

In Sachen Gleichberechtigung habe sich in der Branche einiges ins Positive gewandelt, findet Grieffenhagen. „Es lockert sich an der Oberfläche. Ich merke das zum Beispiel an der Sprache oder am Bildmaterial in der Werbung“, sagt sie. „Der Blick hat sich verändert, aber es gibt noch viel zu tun. Wir brauchen eine selbstverständliche Durchmischung, nicht nur von Männern und Frauen, sondern auch von Jung und Alt, wir brauchen Diversität.“ Über einen Beruf in der Fahrradbranche nachzudenken, empfiehlt sie Absolventinnen unbedingt: „Wir haben hier viele, superinteressante Berufe und gerade jetzt eröffnen sich zum Thema Nachhaltigkeit viele neue Arbeitsfelder, zum Beispiel in den Bereichen Mobilität und Energiewirtschaft. Da sind wir mit unserer Branche mittendrin. Da mitzugestalten geht letztendlich alle an, und es ist ein toller Grund, da miteinzusteigen.“

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