Fragen zum Fahrradkauf, die sich jede:r stellen sollte
Dienstag, 5. März 2024
Wer sich 2024 ein neues Fahrrad kaufen möchte, findet im Fachhandel eine große Auswahl an unterschiedlichen Modellen. Um den Überblick zu bekommen und das passende E‑Bike oder Fahrrad zu finden, bietet der pressedienst-fahrrad eine Reihe an Fragen, die man sich stellen sollte, bevor man einen Laden aufsucht.
Grundsätzlich: E‑Bike oder Fahrrad?
Die wichtigste Frage vorab: Will man ein Rad mit Motorunterstützung oder wird man auch ohne E‑Antrieb glücklich? Der Motor nimmt Steigungen den Schrecken. Touren werden durch neue Ziele erweitert und dank der Akku-Unterstützung sind bei gleichem Kraftaufwand weitere Strecken möglich. Auf alltäglichen Wegen schwitzt man weniger, friert aber im Winter schneller. Räder ohne Motor sind hingegen leichter und günstiger. Sie sind technisch weniger anspruchsvoll, was z. B. dem Selberschrauben bei kleinen Reparaturen zugute kommt. Beim Radfahren steht zusätzlich die körperliche Belastung stärker im Mittelpunkt. Der Trainingseffekt fällt bei E‑Bikes im Alltag zwar geringer aus, lässt sich aber für Sportler:innen präzise steuern. Im Alltag bringen E‑Bikes mehr Menschen öfter aufs Rad, macht also individuell mehr Lust auf Bewegung. Dank der verschiedenen Unterstützungsmodi kann man die physische Beanspruchung selbst steuern. Das ist auch ein weiterer Effekt der „Fahrzeugwerdung“ des Fahrrads: Wie beim Kfz muss man lernen, die gegebene Energie wohldosiert einzusetzen.
E‑Bike: Reichweite oder Gewicht?
Wer sich für ein E‑Bike entscheidet, kommt schnell an den Punkt der Akku-Frage. Große Akkus sorgen für eine hohe Reichweite, was gerade bei längeren Touren und mit Gepäck ein wichtiger Vorteil ist, da man keine bzw. weniger Ladepausen einplanen muss. Die Räder der „Superdelite“-Serie von Riese & Müller sind beispielsweise mit einer Doppel-Akku-Lösung ausgestattet, die eine Akku-Kapazität von 1.125 Wattstunden liefert. Die Räder wiegen allerdings über 30 Kilogramm. Wenn man das Rad häufig tragen muss, z. B. zum Abstellen in den Keller, wird man das Mehrgewicht spüren. Es gibt mittlerweile allerdings auch vermehrt sogenannte Light-E-Bikes, z. B. die „Ubn“-Serie, ebenfalls von Riese & Müller. Diese zeichnen sich durch einen kleinen Akku und ein geringes Fahrradgewicht von unter 20 Kilogramm aus, was das Tragen spürbar vereinfacht. Die Akkus sind kleiner – für Alltagsstrecken aber meist ausreichend. Für längere Touren kann bei Bedarf an manchen Modellen (z. B. „E‑Flitzer“ von Winora) ein sogenannter Range Extender, also ein zweiter Akku zur Reichweitensteigerung, dazugekauft werden. Man sollte sich deshalb grundsätzlich die Frage stellen, welche Routen man mit dem Rad hauptsächlich fahren möchte.
E‑Bike-Akku: integriert oder abnehmbar?
In den Rahmen integrierte Akkus gewinnen immer mehr Befürworter:innen. Sie ermöglichen eine schlanke, aufgeräumte Optik; mitunter ist das E‑Bike kaum von einem normalen Fahrrad zu unterscheiden. Ein Beispiel ist das „E‑Strada 7.3.4 FEQ“ von Stevens. Zusätzlich bietet der integrierte Akku besseren Schutz vor Diebstahl, Sturz, Schmutz und Wasser und verbessert das Handling des Rades durch den oft tieferen Schwerpunkt. Allerdings sollte man sich bei der Auswahl des Rades Gedanken machen, an welcher Steckdose es geladen werden soll. Manche integrierten Akkus lassen sich durch eine Klappe entnehmen, andere nur noch mit großem Aufwand und Spezialwerkzeug, was eine gut erreichbare Steckdose erforderlich macht. Für Menschen, die den Akku abseits vom Rad laden müssen oder wollen, sind leicht abnehmbare Akkus nötig, z. B. wie am „Upstreet 5“ von Flyer. Zudem sind Räder mit aufgesetzten Akkus oft günstiger und auch ein Austausch des Akkus bei einem Defekt ist leichter.
Motorposition: Mitte, vorne, hinten?
Der Mittelmotor ist bei E‑Bikes am weitesten verbreitet. Durch seine Position sitzt sein Mehrgewicht an einem für das Handling tiefen Punkt des Rads und kommt dem „normalen“ Radfahrgefühl am nächsten. Außerdem reagiert der Motor durch Sensoren unmittelbar auf die Pedalkraft. In den letzten beiden Jahren erfuhr der Hinterradnabenmotor, wie beim „Camden“ von Tout Terrain, allerdings eine Renaissance. Die Kraftübertragung ist direkter, der Motor mitunter leichter und in der Anschaffung günstiger. Frontnabenmotoren spielen hingegen kaum noch eine Rolle.
Rahmenform: Diamant oder Tiefeinsteiger?
Tiefeinsteiger, auch Einrohrrahmen genannt (z. B. „Evia“ von Koga), galten über lange Jahre als eine Art „Oma-Räder“, da der große Vorteil, das einfache Aufsteigen, gerade älteren Menschen entgegenkommt. Im Zuge des E‑Bike-Booms erkennen auch jüngere und männliche Radfahrende immer mehr die Vorteile des tiefen Durchstiegs, etwa wenn sie mit einem Kindersitz unterwegs sind oder der Weg viele Stop-and-Go-Passagen hat. Auf der anderen Seite punkten Diamantrahmen (z. B. „Domingo 12“ von Winora), auch Herrenräder genannt, durch hohe Stabilität. Zusätzlich lässt sich im Rahmendreieck Zubehör wie Trinkflaschen, Schloss, Ersatz-Akku oder Rahmentaschen anbringen. Eine Mischform ist der sogenannte Trapezrahmen. Durch das tiefgezogene Oberrohr bietet er einen Kompromiss aus einfacherem Auf- und Absteigen sowie der Zubehörmontage.
Rahmenmaterial: Carbon, Alu oder doch Stahl?
Die Einordnung von Rahmenmaterialen nach Gewicht ist ein verbreiteter Trugschluss. Aus allen Materialien lassen sich günstige, schwere und teure, leichte Rahmen fertigen, die Spektren überschneiden sich. Dennoch muss man sagen, dass Carbon sich bei sportlichen Rädern wie (E-)MTBs (z. B. „Lyke CF 11“ von Haibike) oder Rennrädern (z. B. „Orca“ von Orbea) mehr und mehr durchsetzt, denn Carbonrahmen zeichnen sich oftmals durch ein geringes Gewicht und gute Dämpfungseigenschaften aus. Zudem können sie bedarfsorientiert dimensioniert werden, d. h. bei der Herstellung können Rahmenpunkte entweder steif oder komfortabel gestaltet werden. Zudem spricht für Carbon die direkte Kraftübertragung. Am häufigsten eingesetzt wird aber Aluminium. Das Material ist langlebig, da es wenig anfällig ist für Korrosion und stabil bei Unfällen. Außerdem überzeugt es durch eine hohe Steifigkeit und punktet insbesondere durch seine günstige Herstellung. Bei Alltagsrädern („Elegance Lite“ von Stevens) und Einstiegs- bis Mittelklasse-E-Bikes (z. B. „Yucatan“ von Winora) ist Aluminium der Werkstoff Nummer eins. Aluminium verbraucht in der Produktion allerdings die meiste Energie. Stahl kommt in der Großserien-Fertigung nicht mehr zum Einsatz, es wird allerdings gerne noch in Kleinserien (z. B. bei Velotraum) und im Maßrahmenbau genutzt. Stahl erfordert einen geringen Energieaufwand bei der Herstellung und gilt als äußerst langlebig und ebenso komfortabel, da er hohe Dämpfungseigenschaften besitzt. Außerdem ist er leicht zu reparieren, was ihn für Expeditionsräder und Reiseräder interessant macht. Aluminium und Stahl lassen sich gut recyceln, während Carbon nach Beschädigung (noch) als Sondermüll gilt.
Position: sitzen oder liegen?
Aufrecht auf dem Fahrrad zu sitzen ist eine Selbstverständlichkeit – für die meisten. Doch Menschen mit körperlichen Problemen oder Einschränkungen könnten über den Kauf eines Liegerades oder Trikes nachdenken, wie sie etwa der Hersteller HP Velotechnik (z. B. mit dem Sesselrad „Delta tx“) anbietet. Durch die Sitzposition und individualisierbare Sitze mit Lehne werden die Gelenke und der Rücken entlastet. Dreiräder gelten zudem als äußerst kippstabil und sicher. Liegeräder sind aufgrund ihrer aerodynamischen Form oft auch schnell, was sie für Pendler:innen interessant macht.
Schaltung: Nabe oder Kette?
Aufgrund ihrer Wartungsarmut sind Nabenschaltungen, die zu den Getriebeschaltungen zählen, im Citybereich und bei Radreisenden beliebt. Die Schaltungskomponenten sind vor äußeren Einflüssen gut geschützt und brauchen kaum Service. Die Gänge lassen sich auch im Stand ändern, z. B. an einer Ampel, und da es keine Gangüberschneidungen gibt, ermöglichen Getriebeschaltungen ein intuitives, lineares Schalten. Ähnliche Attribute bietet auch Zentralgetriebe von Pinion am Tretlager. Seine mittige Position bietet eine bessere Gewichtsverteilung und über ein leichtes Hinterrad freut man sich nicht nur am gefederten Rad. Die Schaltungen waren bislang im Reise- und Trekkingsegment zu finden, werden aber auch immer häufiger an Mountain- und Citybikes genutzt. Ihr höheres Gewicht und die unveränderlichen Gangabstufungen machen Getriebeschaltungen für den Sportbereich allerdings oft uninteressant. Hier ist die Kettenschaltung gefragt, die leichter läuft, dabei allerdings deutlich wartungsintensiver ist, da alle Bauteile offenliegen. Kettenschaltungen können dafür an den individuellen Fahrstil angepasst werden, denn relativ einfach kann man Kettenblätter und Kassetten tauschen und in der Größe ändern. Bei E‑Bikes wird das Thema Integration von Motor und Getriebe in einer Einheit, wie bei der „Motor-Gearbox-Unit“ von Pinion immer interessanter. Ein Trend bei E‑Bikes sind automatische Schaltungen, die in Zusammenarbeit mit dem Motor die Schaltprozesse optimieren bzw. die gewünschte Kadenz einhalten. Bei der Optimierung bieten elektronisch angesteuerte Schaltungen spannende technische Möglichkeiten. Sie setzen sich sowohl bei Getriebe- als auch bei Kettenschaltungen immer weiter durch – mit Kabel oder Funksignal.
Antrieb: Kette oder Riemen?
Ein klarer Vorteil von Nabenschaltungen und Zentralgetrieben: Sie sind mit einem Carbonriemenantrieb kombinierbar. Der Antriebsstrang von Gates ist besonders wartungsarm und langlebig, er braucht z. B. kein Kettenöl und ist einfach mit Wasser zu reinigen. Das macht ihn für Ganzjahresfahrer:innen und Reiseradfahrende interessant. Eine Kette (z. B. von KMC) ist hingegen günstiger, braucht keinen dafür konstruierten Rahmen und lässt sich bei einem Defekt einfacher tauschen. Zudem erzielt sie, gute Pflege vorausgesetzt, einen besseren Wirkungsgrad. In Kombination mit einer Kettenschaltung wird das Effizienz-Optimum des Antriebs erreicht, weshalb sie im sportlichen Bereich immer noch die stärkste Verbreitung hat.
Laufräder: groß oder klein?
Größere Laufräder punkten durch bessere Überrolleigenschaften und höhere Fahrstabilität – im Gelände sorgt das für Traktion sowie ein ruhiges Fahrgefühl. Deshalb rollen die meisten Mountainbikes (z. B. „Occam“ von Orbea) auf 29-Zoll-Reifen. Kleinere Laufräder sind hingegen agiler, stabiler und ermöglichen mitunter eine schnellere Beschleunigung. Bei Rennrädern und Trekkingbikes sind 28-Zoll-Räder Standard, wobei im Trekking- und Citybereich auch 27,5 Zoll im Kommen sind (z. B. „Shopper“ von Tout Terrain). Stadträder zeigen fast alle Laufradgrößen – Kompakträder wie das „Radius“ von Winora rollen auf 20-Zoll-Rädern und sind sehr beliebt, weil sie sich platzsparend abstellen lassen und ein wendiges Fahrverhalten versprechen. Kleine Laufräder ermöglichen zudem einen tiefen Schwerpunkt, was das Be- und Entladen vereinfacht und sie so für Cargobikes interessant macht, zu sehen etwa bei den „CS“-Modellen von Ca Go. Im Reiseradbereich kommen wegen dem Mix der Eigenschaften auch noch 26-Zoll-Räder zum Einsatz.
Reifen: breit oder schmal?
Der Reifen ist nach wie vor das wichtigste Komfort- und Sicherheitselement am Fahrrad. Breite Reifen können mit geringerem Luftdruck gefahren werden. Dadurch steigen Traktion, Komfort und Pannenschutz. Beispielhaft für die wachsende Verbreitung sind hier das Crossover-Segment mit der Mischung aus Alltagsrad und Mountainbike, z. B. „Goroc X“ von Flyer, und der Breitreifen-Rennradbereich (z. B. „E‑Getaway“ von Stevens) zu nennen. Schmalere Reifen genießen den Vorteil des geringeren Luftwiderstandes bei höheren Geschwindigkeiten, aber auch des agileren Fahrverhaltens. Der Trend der letzten Jahre zu immer breiteren Exemplaren ist jedoch unverkennbar. Selbst Rennradprofis nutzen mittlerweile die Vorteile breiterer Reifen.
Bremse: Felge oder Scheibe?
Felgenbremsen gelten als leicht, einfach zu reparieren und günstig. Sie sind oft an Einstiegs‑, Leichtbau- und Kinderrädern (z. B. „LS-Pro“ von Puky“) zu finden. Allerdings haben sich an den meisten Fahrradtypen, auch an Kinder-MTBs (z. B. „X‑Coady“ von Eightshot) mittlerweile hydraulische Scheibenbremsen durchgesetzt. Die bessere Bremsleistung, insbesondere bei Nässe, und die bessere Dosierbarkeit sind die ausschlaggebenden Argumente. Hydraulische Bremssysteme brauchen regelmäßige Wartung von Fachmenschen. Einmal im Jahr sollte das System entlüftet werden – wofür man einen Besuch beim Fachhändler einplanen sollte.
Gabel: Federung oder starr?
Durch eine Federung werden auch am Fahrrad Fahrbahnunebenheiten ausgeglichen und der Kontakt zwischen Reifen und Fahrbahn optimiert. Die Kontrolle über das Fahrrad steigt, das Fahrverhalten wird stabiler. Starrgabeln sind hingegen deutlich leichter. Zudem sind sie günstiger und benötigen keine Wartung.
Thomas Geisler | pressedienst-fahrrad
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