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200 Jahre Fahrrad: Karl Drais – der Beschleuniger des Individualverkehrs
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Donnerstag, 1. Dezember 2016

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Der Erfinder des Fahrrades, Karl Drais, ist einer der größten Tüftler unseres Landes. Doch lange Zeit wurde seine wichtigste Erfindung von der Obrigkeit torpediert und ins Lächerliche gezogen. Am 10. Dezember jährt sich sein Todestag zum 165. Mal. Der pressedienst-fahrrad blickt auf das Leben des revolutionären Erfinders zurück und zeigt, warum seine Idee auch heutige Fahrradentwickler inspiriert.

[pd‑f/tg] Während Mary Shelley das „Jahr ohne Sommer“ 1816 am Genfer See nutzte, um mit „Frankenstein“ einen Bestseller zu schreiben, tüftelte ein beurlaubter Forstmeister in Mannheim an einem Gefährt, das eine Verkehrsrevolution auslösen sollte. Was genau für Karl Freiherr von Drais der Anstoß zur Erfindung der Laufmaschine im Jahr 1817 war, wird 200 Jahre später heiß diskutiert. Der Drais-Experte Prof. Hans-Erhard Lessing sieht einen Grund im Vulkanausbruch des Tambora in der Nähe von Bali. Die Eruption 1815 zog eine gewaltige Aschewolke nach sich, die auf der nördlichen Halbkugel die Sonne verdunkelte und mehr als ein Jahr lang für Dauerregen und starke Schneefälle im Sommer sorgte – und die Ernte ausfallen ließ. Die napoleonischen Kriege sowie Missernten seit 1812 potenzierten die schlechte Lage und ließen den Haferpreis bis um das Doppelte ansteigen. Das gesunde Getreide war jedoch der Hauptenergielieferant für das Fortbewegungsmittel Nummer eins: das Pferd. Viele Nutz- und Transporttiere verendeten und die Laufmaschine war als ein alternatives Transportmittel gedacht.

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Transportmittel oder Sportgerät?

Dieser Theorie kann sich der Münchner Journalist Jost Pietsch nicht anschließen. Er stellt das große Pferdesterben in Frage und beschreibt die Laufmaschine als eine sportliche Kuriosität der damaligen Zeit. Für diese These spräche, dass Drais mit seiner Erfindung nur eine kleine Zielgruppe erreichte. Zu teuer waren die Gefährte in Produktion und Anschaffung, sodass fast nur der Adel und finanzkräftige Teile des Bürgertums als Klientel in Frage kamen. Diese Bevölkerungsschichten hatten zudem die nötige Freizeit, um sich mit der Laufmaschine intensiver auseinanderzusetzen und das Fahren zu erlernen. Außerdem erwähnte Drais öffentlich nie, dass seine Laufmaschine als ein Pferdeersatz geplant war. Fehlende Quellen begründet Lessing jedoch damit, dass der Presse eine Berichterstattung über die Hungersnöte und das Pferdesterben via Zensur untersagt wurde. Immerhin druckte Drais noch über seine vorherige Vierrad-Fahrmaschine den Satz, dass in Kriegszeiten, wo Pferde und ihr Futter selten werden, ein solcher Wagen nützlich sein kann. Wie dem auch sei: Die Idee von Drais war zweifellos, ein Gefährt zu entwickeln, das die Fortbewegung des Menschen erleichtert und beschleunigt – egal, ob im öffentlichen Verkehr oder als Freizeitgerät.

Jungfernfahrt in Mannheim

Die Premierenfahrt des damals 32-jährigen Erfinders am 12. Juni 1817 fand vermutlich ohne Ankündigung und Öffentlichkeit statt. Sein Weg führte ihn vom Elternhaus in Mannheim in die Nähe von Schwetzingen und wieder zurück. Laut eigenen Angaben brauchte Drais für die rund 13 km lange Strecke ungefähr eine Stunde. Eine ordentliche Leistung für eine Jungfernfahrt und zudem schneller als die Fahrt der damaligen Postkutsche. Sein Gefährt hatte eine Lenkstabilisierung durch Nachlauf, Achsen mit Gleitlagern, klappbare Stützen am Vorderrad zum Parken, einen Gepäckträger hinter dem Sattel, eine Schleifbremse sowie jeweils  höhenverstellbaren Sattel und Lenker. Gerollt wurde auf zwei gleich großen 27-Zoll-Holzrädern. „Es ist faszinierend, dass sich Bild von Stefan Stiener, Geschäftsführer des Fahrradherstellers Velotraum.200 Jahre später die Laufradgröße kaum verändert hat. Auch der Radstand von 1,20 Meter ist nicht so weit weg von unseren heutigen Tourenrädern. Das beweist, dass die Grundidee von Drais bis ins kleinste Detail durchdacht war“, ist Stefan Stiener von der Firma Velotraum vom Fahrradvorläufer begeistert. Zu Drais gab es für den Produktentwickler schon früh eine Verbindung: Er entwarf als Studienarbeit vor 28 Jahren ein kleines Drais-Museum.

Fahren will gelernt sein

Einzig der Antrieb erfolgte bei der Laufmaschine nicht per Pedale und Tretkurbel, sondern mit den Füßen und durch Balancieren. Die Idee dazu hatte Drais angeblich vom Eislaufen, das zur damaligen Zeit unter jungen Leuten äußerst populär war. Ein Pedalantrieb wäre für den pfiffigen Erfinder sicherlich denkbar gewesen, doch war die damalige Gesellschaft noch nicht so weit. Die Bevölkerung des frühen 19. Jahrhunderts hatte Angst, die Füße für längere Zeit vom Boden zu nehmen. Ein Phänomen, dass man heute noch bei Menschen beobachten kann, die erst im

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Erwachsenenalter das Radfahren erlernen. „Deshalb ist es besonders wichtig, mit dem Radfahren bereits in jungen Jahren anzufangen. Unsere Laufräder für Kinder ab ca. zweieinhalb Jahren basieren noch heute auf der Idee von Karl Drais und sind die Basis zum Erlernen des Balancierens und somit des Radfahrens“, erklärt Guido Meitler vom Kinderfahrzeughersteller Puky. Das Unternehmen bietet im Jubiläumsjahr eine auf 200 Stück limitierte Laufrad-Sonderedition „Karl Drais“ an.

Zur falschen Zeit am falschen Ort

Nach ersten kleineren Erfolgen taten sich für Drais jedoch mehrere Probleme auf. Als Beamter durfte er offiziell keine Nebentätigkeiten aufnehmen. Da er deshalb selbst keine eigene Werkstatt hatte, war er bei der Produktion auf die Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen angewiesen, was sich als schwierig erwies. Hinzu kam, dass Drais von seinem Landesherrn erst spät ein regional beschränktes Patent auf die Laufmaschine erhielt. Schnell kamen Plagiate in Umlauf, die Mechaniker anhand von Erzählungen oder Skizzen fertigten. Oft wurden aber wichtige Details vergessen. Unfälle waren die Folge, weshalb der Gebrauch der Laufmaschine im öffentlichen Verkehr vielerorts schnell verboten wurde. Nach Ansicht der Historiker war Karl Drais einfach seiner Zeit voraus – und wurde im falschen Land geboren. Hätte er im industriefreundlichen England gelebt, wäre seine Erfindung vermutlich früher massenmarkttauglich gewesen.

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Fahrrad erst nach seinem Tod populär

Bis zum europaweiten Durchbruch des Fahrrads sollte es noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts dauern. Von England und Frankreich aus schwappte der Mobilitätsgarant wieder nach Deutschland zurück und war auch hier zur Jahrhundertwende ein Massenphänomen. Die Nachfrage stieg, die Produktion auch. In Schweinfurt beispielsweise wurde die Fahrradmarke Winora gegründet, die im nächsten Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum feiert, und mittlerweile zu einem Global Player avanciert ist. Die Entwicklung von Karl Drais war somit der Startschuss des

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Individualverkehrs, wie wir ihn heute kennen.

Drais selbst hat von dem späten Erfolg seiner Erfindung nichts mehr mitbekommen. Er starb am 10. Dezember 1851 verarmt in seiner Geburtsstadt Karlsruhe. Da er sich zur demokratischen Bewegung bekannte und gegen Lebensende den Freiherrentitel ablegte, wurde sein Lebenswerk von der monarchistisch geprägten Gesellschaft verspottet und nicht gewürdigt. Erst nach dem Ende des Kaiserreichs erfuhr Drais langsam die Anerkennung, die er verdient hat – als einer der größten Erfinder seiner Zeit und klügsten Köpfe Deutschlands.

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Laufmaschine weiterhin ein Vorbild

Selbst außergewöhnlich anmutende Fahrzeuge wie Lasten‑, Falt- oder Liegeräder werden heute auf Basis der Laufmaschine konstruiert. „Das zweirädrige Fahrzeug ist die Grundlage für alle weiteren Fahrzeugtypen aus dem Fahrradbereich, selbst wenn sie noch so seltsam anmuten“, ist Henning Voss, Vertriebspartner der englischen Brompton-Falträder, überzeugt. Auch heute noch wird beispielsweise mit dem „Sauseschritt“ ein Tretroller für Erwachsene verkauft, der vom Grundprinzip dem Drais‘schem Gefährt stark ähnelt. Menschen mit körperlichen Einschränkungen wie Knieschmerzen können so wieder mobil werden. „Dank Karl Drais kein Problem“, so Voss.

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E‑Bikes zünden nächste Stufe

Und die nächste Evolutionsstufe des Individualverkehrs ist bereits getan, wie Entwickler Ivica Durdevic vom E‑Bike-Hersteller Flyer erklärt: „Bei E‑Bikes wird die Konstruktionsbasis der 200 Jahre alten Laufmaschine mit moderner Elektrotechnik verbunden. Mehr Reichweite und höhere Geschwindigkeiten für jedermann werden so ermöglicht.“ Ein weiterer Schritt für die individuelle Mobilität, der ohne Drais nicht denkbar wäre.

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