Reportage: Faszination Cyclocross
Freitag, 26. Januar 2018
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Am 3. und 4. Februar 2018 findet im niederländischen Valkenburg die Cyclocross-Weltmeisterschaft statt. In Deutschland wird davon kaum jemand Notiz nehmen. Dabei hat der Sport auch hierzulande eine lange Tradition und noch immer viele Anhänger und Fans. Der pressedienst-fahrrad begab sich auf Spurensuche in der Nordheide und entdeckte in Buchholz die Faszination Cyclocross.
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Ein Cyclocross-Rennen dauert je nach Altersklasse zwischen 20 und 60 Minuten. Beim Rundkurs wird darauf Wert gelegt, dass die Streckenführung für die Zuschauer interessant ist. „Wir haben im Zielbereich extra ein paar niedrige Sprungelemente eingebaut, damit mehr Action ist“, führt Michael Boving aus. Er ist Vorsitzender der RSG Nordheide, dem Ausrichter des Buchholzer Rennens. Obwohl in der Nähe von Hamburg beheimatet, liegt der Schwerpunkt des Radsportvereins im Mountainbike-Sport. Das merkt man auch an der Kurssetzung. „Unser Rennen ist sehr an einer Mountainbike-Strecke orientiert“, erklärt Michael. Kurze, anstrengende Anstiege und Abfahrten wechseln sich mit technisch anspruchsvollen Passagen, die teils laufend bewältigt werden müssen, ab. Der Untergrund sind Wurzeln, sandige Kurven, Schlammlöcher und einfache Trampelpfade. Eine Runde ist in etwa zwei Kilometer lang und stark gewunden. Anders als bei vielen Straßenradrennen kann man als Zuschauer so problemlos seinen Standort wechseln und die Fahrer an verschiedenen Teilen der Strecke anfeuern.
Durch diese Attraktivität genießt Cyclocross speziell in Belgien, Dänemark oder den Niederlanden eine große Popularität. Zu den Saisonhöhepunkten strömen Zehntausende an die Strecken. Die Spitzenveranstaltungen werden live im TV übertragen. So auch die Weltmeisterschaft in Valkenburg, die am 3. und 4. Februar 2018 stattfinden wird. In Deutschland wird diese Radsport-Großveranstaltung vermutlich eine Randnotiz bleiben. Dabei haben mit Rolf Wolfshohl, Klaus-Peter Thaler, Mike Kluge und Hanka Kupfernagel auch Deutsche in früheren Jahren Regenbogen-Titel eingefahren. Die Sportart hat auch hierzulande eine große und erfolgreiche Tradition. Allerdings unter der Bezeichnung Querfeldein-Sport. „Unter Cyclocross kann sich heute niemand mehr etwas vorstellen. Die Leute denken bei Crossen nicht ans Fahrrad, sondern eher an Motocross“, meint Michael.
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Über die Zuschauerzahlen kann sich der Veranstalter dennoch nicht beklagen. „Klar freut man sich immer über mehr. Weil der Eintritt frei ist, hätten es die Sportler verdient, dass mehr Leute kommen“, so Michael. Da der Kurs direkt am Stadtpark beginnt, Teile der Strecke durch die Stadt führen und den ganzen Tag über Rennen stattfinden, herrscht ein reges Kommen und Gehen. Zudem ist das Starterfeld prominent besetzt. So nimmt beispielsweise der amtierende Deutsche Meister in der Altersklasse U 17 am Rennen seines Jahrgangs teil. „Wir haben Fahrer am Start, die mit zur Weltelite zählen, aber wir sind einfach immer noch eine Randsportart“, sagt Michael. Er erkennt jedoch die Tendenz, dass der Radsport mehr Zulauf bekommt: „Eltern steigen mit ihren Kindern wieder mehr aufs Rad. Das ist eine schöne Entwicklung.“
Jugendarbeit im Vordergrund
Die RSG Nordheide ist dafür ein gutes Beispiel. Rund 30 Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 18 Jahren nehmen regelmäßig am Training teil. Da in der Sportberichterstattung regionale Radsportergebnisse unter König Fußball leiden, läuft viel Kommunikation über soziale Medien. Auch regionale Sponsoren, wie Stevens als Titelsponsor der Cyclocross-Rennserie, sind wichtig, damit derartige Rennen und Vereine weiterhin am Leben bleiben. Die Erfolge der Vereinsfahrer bringen dann wiederum neue Interessierte, was mitunter auch zu Problemen führen kann. „Unser Leistungsniveau geht auseinander“, erklärt Michael. Der Verein möchte allerdings sowohl ambitionierten Fahrern als auch Hobby-Athleten Möglichkeiten bieten. Michael bezieht sich dabei sowohl auf den Vereinsbetrieb als auch die Rennorganisation. Jeder Fahrer muss nämlich eine Startgebühr von zehn Euro bezahlen. „Nur mit Elitefahrern können wir so ein Rennen nicht auf die Beine stellen. Ohne Hobby-Fahrer funktioniert das nicht“, ist der Vereinsvorsitzende überzeugt.
Gemeinschaftlicher Spaß vor sportlichem Erfolg
Über die Jahre hat sich in Norddeutschland eine eingeschworene Cyclocross-Gemeinschaft entwickelt. Viele Starter reisen gemeinsam mit dem Wohnmobil oder Auto an. Bereits frühmorgens ist der Parkplatz voll. Jeder Radfahrer wird unterstützt und angefeuert, die meisten kennen sich beim Vornamen. Insgesamt steht aber nicht der sportliche Erfolg an erster Stelle. Das gemeinschaftliche Sporttreiben ist wichtiger. Eine Erfahrung, die auch Kai macht. Kurz nach dem Start ist der Sieg für ihn bereits in weiter Ferne. Die geübten Spitzenfahrer haben ihm in den ersten technischen Passagen wertvolle Sekunden abgenommen. Jetzt geht es nur noch darum, die eigenen Grenzen zu erkunden, zu lernen und dabei Spaß zu haben. „Konditionell war ich ganz gut dabei, nur in den technischen Teilen habe ich Zeit verloren. Ich habe deshalb meine Gegner im Rennen immer wieder studiert und deren Technik anschließend in den Schlüsselstellen versucht anzuwenden“, erzählt Kai hinterher. So fällt es ihm in den späteren Runden leichter, sein „Super Prestige“ von Stevens durch enge Kurven und sandige Passagen zu manövrieren.
Das Cyclocross-Rad unterscheidet sich für einen Laien auf den ersten Blick kaum von einem Rennrad. Doch technisch gibt es einige Unterschiede. Da geringere Geschwindigkeiten als beim klassischen Straßenrennen gefahren werden, bedarf es keiner so breiten Gangübersetzung. Das Tretlager ist etwas höher, damit auch Sprünge über Hindernisse gemeistert werden können. Scheibenbremsen sind bei neueren Modellen Standard. Das wichtigste Kriterium sind jedoch die Reifen, die deutlich breiter und profilierter als beim normalen Rennrad sind. Bei einem offiziellen Rennen ist eine maximale Reifenbreite von 33 Millimetern vom Radsportverband zugelassen. Zudem gibt es je nach Untergrund diverse Profile zur Wahl: z. B. für matschigen, sandigen oder gefrorenen Boden. Bedingungen, die nichts mit dem gängigen Rennradfahren zu tun haben.
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Kai nutzt vor Rennbeginn die Möglichkeit, die Strecke ausgiebig zu begutachten. Dabei inspiziert er die technisch anspruchsvollen Passagen, aber auch den Untergrund. Dieser ist am Morgen der Streckenbegehung noch vereist. Doch am Vormittag weicht die Januar-Sonne den Boden auf. Auch ist das Männer-Rennen nicht der erste Wettkampf des Tages. Kinder diverser Altersgruppen sowie ein Frauen-Rennen hinterlassen bereits erste Spuren in der Strecke. „Es ist sicherlich sinnvoll, einen Matschreifen zu fahren“, kriegt Kai vom Veranstalter als Tipp und entscheidet sich schließlich mit dem „X‑One Bite“ von Schwalbe für einen traktionsstarken Alleskönner.
Für das Rennen eine gute Wahl, denn die Ideallinie des Kurses weicht von Runde zu Runde immer mehr auf, das Geläuf wird tiefer. Trotz der passenden Reifen wird die richtige Fahrtechnik deshalb immer wichtiger. Die Spitzenfahrer wissen dies geschickter zu nutzen und die ersten überrunden Kai bereits, der sich allerdings weiterhin im Mittelfeld bewegt. Zu seiner Überraschung erhält er von den passierenden Fahrern einen aufmunternden Klaps auf den Rücken. „Von einem Straßenradrennen kenne ich eine derartige Kameradschaft unter den Teilnehmern nicht. Da geht es verbissener zu“, meint Kai.
Gruppendynamik löst Faszination aus
Überrundete Fahrer werden beim Cyclocross jedoch nicht aus dem Rennen genommen. Sie dürfen das Rennen einfach eine Runde eher beenden. Zum Abschluss mobilisiert Kai nochmals seine letzten Körner. Der Fahrer vor ihm hat sich einen technischen Fehler erlaubt und so kann Kai den Abstand etwas verringern. Am langen Schlussanstieg setzt er zur Attacke an und überholt. Im Ziel angekommen, wird er von seinem Konkurrenten direkt auf das Überholmanöver angesprochen. „Am letzten Berg noch überholen, geht doch nicht“, ruft dieser Kai lachend zu. Die beiden klatschen ab und gratulieren sich zu ihrem tollen Rennen, das sie als 13. und 14. beenden. „Dieses Gemeinschaftsgefühl finde ich toll“, resümiert Kai. „Nach ein paar Rennen ist man sicherlich komplett in die Gruppe integriert.“
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