Tour de France: Warum Hobbysportler besser rollen als die Profis





Donnerstag, 2. Juli 2015
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Das Peloton der Frankreich-Rundfahrt ist zum einen ein Schaufenster technischer Innovation, zum anderen jedoch strikten Regularien und bisweilen starren Traditionen unterworfen, die längst von der Realität überholt wurden: Das zeigt sich etwa bei Laufrädern und Bremsen. Der pressedienst-fahrrad beleuchtet, wo die Profis aktuell die Nase vorn haben, aber auch, welche Freiheiten und Möglichkeiten ihnen entgehen.
[pd‑f/ht] Wenn die 200 schnellsten Radfahrer der Welt im Juli durch Frankreich jagen, steht immer auch das Material im Fokus. Rahmen, Schaltungen, Komponenten – alles wird von Zuschauern und Experten genau „gescannt“. Mindestens ebenso viel beachtet wie die besagten Bauteile werden die in den vergangenen Jahren immer auffälliger gewordenen Laufräder.
Wir haben unser Bildarchiv aktualisiert. Dabei wurden ältere Bilder entfernt – darunter das hier verlinkte. Melden Sie sich einfach für passende Motive zum Artikel: 0551–9003377‑0.Schnittig durch den Wind
„Die klassische flache Felge ist aus der Mode gekommen“, urteilt Radsportkenner Stefan Scheitz, Geschäftsführer der Firma Sport Import, die unter anderem für den Leistungssport konzipierte Laufräder von Enve und Zipp vertreibt. „Abgesehen von manchen Bergetappen sind inzwischen alle Radprofis mit aerodynamischen Hochprofilfelgen unterwegs.“ Deren Hauptmerkmal ist das V‑förmige, weiter zur Laufradmitte hin gezogene Profil. Statt nur auf gut zwei Zentimeter wie bei einer herkömmlichen Felge, bringen es Aero-Felgen für den Allround-Einsatz auf stattliche fünf bis sechs Zentimeter Profilhöhe.
Besser fahren als die Profis
Bei lizenzierten Straßenradrennen sind derzeit (noch) ausschließlich Felgenbremsen zugelassen. Freizeitfahrer können dagegen auf mit Scheibenbremsen kompatible Laufradsätze wie das Modell „58 Twenty Four Carbon Clincher“ von Profile Design (1.999,95 Euro) oder Ritcheys „WCS Zeta Disc“ (749 Euro) zurückgreifen. Das bringt nicht nur ein besseres Bremsverhalten, sondern verhindert insbesondere bei langen Abfahrten Felgen- oder Reifenschäden durch zu starke Reibungshitze. Zudem sind durch den Verzicht auf die Bremsflanken schon bei einer geringen Felgenhöhe aerodynamisch sehr günstige und stabile Profildesigns möglich.
Wir haben unser Bildarchiv aktualisiert. Dabei wurden ältere Bilder entfernt – darunter das hier verlinkte. Melden Sie sich einfach für passende Motive zum Artikel: 0551–9003377‑0.Schlauchlos statt Schlauchreifen
Eine Cyclocross-Felge wie die „ZTR Grail“ von Stan’s No Tubes (kompletter Laufradsatz 689 Euro) erschließt zudem nicht nur in der Breite andere Dimensionen und anspruchsvollere Terrains, sondern gleichzeitig eine weitere Neuerung: den Reifen ohne Schlauch.
So wie beim Alltagsrad der Draht- oder Faltreifen mit Schlauch, ist im Profiradsport noch immer der Schlauchreifen das Maß aller Dinge: Ein Latex-Schlauch wird in den Reifen eingenäht, anschließend wird dieser auf die Felge geklebt. Schlauchreifen sind wenig pannenanfällig und bieten gewisse Notlaufeigenschaften, weisen allerdings einen etwas höheren Rollwiderstand auf, wie Rennradexperte Caspar Gebel erklärt: „Vergleicht man Schlauch- und Faltreifen gleicher Bauart – sprich gleiche Gummimischung, gleiche Anzahl der Gewebelagen – in Tests auf einer Radrennbahn, weisen die Faltreifen einen um bis zu vier Watt geringeren Rollwiderstand auf.“ Allerdings vertragen Schlauchreifen bauartbedingt einen höheren Druck, so dass der Abstand in der Praxis nicht ganz so gravierend ausfällt.
Mit den im Mountainbike-Bereich zunehmend beliebten Tubeless-Systemen steht inzwischen aber auch dem Rennradler eine Reifentechnologie zur Verfügung, die Pannensicherheit, geringes Gewicht, Fahrkomfort und Leichtlauf miteinander verbindet.
Bei Schlauchlosreifen gibt es keine Reibung zwischen Mantel und Schlauch, dadurch ist der Rollwiderstand auch bei niedrigem Luftdruck gering. Zudem verschließt ein Dichtmittel Löcher und Risse schnell und sicher. Den beim Faltreifen gefürchteten Reifenplatzer mit schlagartigem Luftverlust, etwa bei einer Überhitzung der Felgen durch Dauerbremsen, gibt es beim Schlauchlosreifen nicht. Ein ähnlicher Katastrophenfall beim Schlauchreifen – wird die Felge zu heiß, kann sich der Kleber lösen und der Reifen springt von der Felge – ist ebenso ausgeschlossen.
Warum sieht man also kaum Tubeless-bereifte Fahrer bei den großen Radrennen? „Leider scheitert es meistens noch an den Laufrädern“, erklärt Felix Schäfermeier, der beim Reifenhersteller
Schwalbe für den Race-Support zuständig ist. Denn damit der Reifen luftdicht auf der Felge sitzt, muss diese besonders geformt sein.
„Das Team IAM Cycling hat mit seinem Laufradausrüster jedoch die Möglichkeit, Tubeless zu fahren, und nach erfolgreichen Tests im Winter haben sie das System bei der Tour Down Under erstmals im Rennen eingesetzt“, freut sich Schäfermeier. „Die Fahrer waren so begeistert, dass dann auch bei Paris-Roubaix zwei Fahrer Tubeless gefahren sind – darunter Martin Elmiger, der den fünften Platz belegt hat.“ Und beim Giro d’Italia sind ebenfalls IAM-Fahrer mit Schlauchlosreifen unterwegs gewesen. Erobern die innovativen Reifen also diesen Sommer die Tour de France? Wer auf einer der Etappen vor Ort ist, kann sich selbst davon überzeugen.
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