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Reportage: Zypern von beiden Seiten
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Donnerstag, 12. Oktober 2017

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Zusammen mit Aarhus in Dänemark ist die Stadt Paphos auf Zypern europäische Kulturhauptstadt 2017. Dass es auf der Mittelmeerinsel aber nicht nur reichlich Kultur, sondern auch vorzügliche Trails zum Biken gibt, haben pressedienst-fahrrad-Gründer Gunnar Fehlau und sein langjähriger Tourenbegleiter Walter Lauter auf einer Bikepacking-Tour herausgefunden. Eine Reportage über Offroad-Biken auf einer Insel, auf der das aufgrund der hohen Militärpräsenz gar nicht so einfach ist.

[pd‑f/gf] Die Eurobike ist zu Ende, die Saison eben auch bald und irgendwie fehlen Sonne, Erholung und Abenteuer schon jetzt. Das ist die Ausgangslage, die Walter und mich Anfang September in einen Flieger Richtung Zypern steigen lässt. Mit dabei: mein 29-plus-Reise-MTB und Walters nagelneuer „Finder“ von Velotraum (Custom-made-Aufbau, Grundpreis ab 2.440 Euro). Dazu unsere Biwak-Ausrüstung und der Plan, in einer großen Schleife einmal über die Insel zu touren.

Erster Eindruck: Überfüllt und unterkühlt

„So ein Scheiß!“, fluche ich leise in mich hinein und weiß, dass Walter genauso denkt. Seit gut einer Stunde zieht unser Flieger Kreise, nördlich von Zypern über dem Mittelmeer. Irgendwie stockt es – und wir sind hinterm Zeitplan. Dann die Durchsage des Piloten: Wir werden wegen eines Sandsturms nicht wie geplant in Larnaka, sondern in Paphos landen. Statt einem gemütlichen Willkommensbier in einer Strandbar heißt es nun umsteigen – in einen überfüllten und unterkühlten Überlandbus. 140 kurvige Kilometer quer über die Insel. Anschließend nochmals eine quälende Wartezeit, bevor wir unsere Räder entgegennehmen können. Es ist bereits halb fünf, als wir vom Flughafen rollen, nachdem wir dort die Radkartons, geschützt in Müllsäcke verpackt, in einer Böschung bei den Langzeitparkern versteckt haben.

Erste Meter: halbstark und halbblind

Die ersten Meter sind zäh. Die Glieder sind steif, die Lunge hat wenig Hub und die Sicht ist trüb. Das ist aber kein Nebel, wie wir ihn kennen, sondern feinster Saharasand. Er setzt mir ordentlich zu. Ich fahre, als hätte ich nur ein Bein, nur einen Lungenflügel und nur ein Auge: Langsam, keuchend und ein wenig im Blindflug. Zudem kochen mich die 39 Grad seit der ersten Minute gar. Vom Flughafen weg geht es auf großen Straßen. Schnell sind wir im Städtchen Dromolaxia und die erste Tankstelle ist meine. Ich ziehe mir zwei eiskalte Dosen Cola rein und es perlt kalt bis in den kleinen Zeh hinunter. Ein klimatisches Gegengewicht zum glühenden Saharasand auf der schweißnassen Haut. Doch die Coke-Kühlung verpufft wie ein Tropfen Wasser auf einer heißen Herdplatte. Mich beschleicht der Gedanke, dass Zypern im September für mich eine ganz, ganz dumme Idee ist. „Fahrtwind hilft immer“, denke ich und trete wieder in die Pedale. So versuche ich auf den nächsten Metern eine Balance aus Antritt und Kühlung zu finden. Zu dumm, dass es stetig bergauf geht.

Drei K zum Abend: Kornos, Kebab, Krise

Bei den Temperaturen hätten wir fast vergessen, dass die Tage bereits kürzer werden. So überrascht uns die Dunkelheit etwas, als wir über eine Autobahn hinweg in die kleine Ortschaft Kornos radeln. Viel Zeit und Gelegenheit, uns an die mediterrane Atmosphäre zu gewöhnen, hatten wir noch nicht. Was sich bei Reiseprospekten und Mare-Reportagen direkt in die sentimentalen Will-ich-unbedingt-hin-Areale des Hirns einbrennt, entfaltet sich hier frei von durchgestylter Pseudo-Schönheit in all seiner Ehrlichkeit und damit auch Hässlichkeit, die Walter und mich verstört. Die EU-Finanzkrise ist greifbar. Zwar gilt Zypern als eines der Musterländer und konnte Anfang 2016 nach nur drei Jahren den EU-Rettungsschirm verlassen, aber man kann die erdbebengleiche Zerstörung des Alltags immer noch sehen, hören, schmecken und unmittelbar fühlen. Die Hauptstraße ist von kleinen Geschäften, Restaurants und Bankfilialen gesäumt – von denen zwei Drittel offenkundig erst vor kurzem dichtgemacht haben. Geschäftstreibende, denen die Krise noch nicht den Garaus gemacht hat, haben ihr Angebot und die Warenpräsentation auf die Zahlungsfähigkeit des Publikums angepasst. Tristesse aus Dosenbier, einfachem Döner und selbstgedrehten Zigaretten. Hier werden keine Einhörner geboren, hier wird letzter Lebensstolz gebrochen. Schwer verdaulich für uns beide. Was übrigens nicht für den Kebab gilt. Der ist herrlich und das zypriotische Bier passt gut dazu. Wir sind satt und froh, diese bröckelnde Zivilisation wieder zu verlassen. Unser Nachtlager schlagen wir auf den großen Tischen einer Picknickanlage nahe eines Pfadfinderlagers auf – leider unweit der Autobahn. Super sind die Wasserhähne und die geräumigen, sauberen Behindertentoiletten. Ätzend dafür die Lkw. Die Nacht ist kurz, heiß und laut. Urlaubsentspannung sieht anders aus.

Hallo Berge, adé!

„Heute wird es besser, wir fahren in die Berge, da wird es kühler und die Bäume bieten Schatten,“ meint Walter, als mir beim Frühstück bereits die Schweißperlen über die Stirn rinnen. Wenig später schieben wir einen kahlen Hügel hinauf: Zu steil zum Fahren, zu heiß für jegliche schattenspendende Vegetation. Es ist kaum neun Uhr, aber das ist egal. Es sind schon deutlich über 30 Grad, das ist überhaupt nicht egal. Gerade kämpfen wir uns den dritten 500er oder 600er hinauf: Steile und schroffe Anstiege, Schatten Fehlanzeige. Wir erreichen das Kloster Profitis Helias und gewinnen auf dem Wanderweg E4 schnell weiter an Höhe. Und an Einsicht. Strecke und Temperatur passen nicht zu unserem Zeitplan: 870 Kilometer Gelände in einer Woche sind unter diesen Bedingungen nur im Rennmodus, das heißt ohne Kultur- und Fotopausen, mit Boxenstopps statt kulinarischem Genuss und auch nur mit Fahrten bis in die Dunkelheit machbar. Wollen wir uns diesem Anspruch anpassen oder passen wir die Route den Gegebenheiten an? Wir beschließen, die Frage einen Moment sacken zu lassen.

Angesichts des schmalen, steilen und schwierigen Trails haben wir ohnehin keinen Kopf für diese Gedanken. Dass sich die Sache zäher als erwartet gestaltet, hat zumindest nichts mit der Technik zu tun. Die dreizölligen „Rocket-Ron“-Reifen von Schwalbe (32,90–57,90 Euro) geben den ungefederten Bikes auch auf grobem Schotter viel Komfort und Kontrolle. Wir haben beide die „GX 2x11“-Schaltung von Sram mit 24/42 als leichtestem Gang. Damit ist flüssiges Treten auch in Schrittgeschwindigkeit drin. Als der E4 nach kurzer Überschneidung mit einem breiten Waldweg wieder in bester Singletrack-Manier steil in die Machairas-Berge verschwindet, ist unsere Entscheidung gefallen. Ich kenne Walter seit vielen Jahren und so kann ich seinen Blick sofort einschätzen. Ohne Worte ist klar: Wir bleiben auf dem breiten Waldweg. Schweigend rollen wir dem kurvigen Weg folgend talwärts. Das Tal wird enger, Bäume säumen den Weg, ein plätschernder Bach sprüht einen Hauch Feuchtigkeit in die flirrende Vormittagssonne. Zum ersten Mal auf dieser Tour baumelt meine Seele etwas, ich entspanne mich. Es vergeht eine gefühlte Ewigkeit, in der wir weiter lässig Höhenmeter verlieren. „Strand?“, fragt Walter. Ich nicke und nehme einen kräftigen Schluck Wasser. Walter fährt ein paar Meter freihändig und studiert die Karte. Seine Miene lockert sich auf und ich weiß: Sein inneres Survival-Navi hat die Route berechnet. Für den Rest des Tages hat das Garmin am Lenker frei. Wieder holt uns die Abendsonne ein. Statt Strand reicht es nur zu einem Staubecken westlich von Arakapas.

Westend-Trails

In den Staaten würde man die Straße Dirt Road nennen, auf der wir in den Akamas Peninsula National Park hineinfahren. Nachdem wir das Lara Café und die etwas penetranten Wegweiser zum Lara Beach hinter uns gelassen haben, absorbiert uns die Einsamkeit. Die Piste wird zum Forstweg und umso schlechter, je näher wir dem westlichen Zipfel Zyperns kommen. Auf den letzten Kilometern wird der Weg zum „Doubletrack“. Einmalig: Coole Trails entlang jagen und dabei nebeneinander fahren und sich unterhalten können. Dies und die Landschaft machen die Akamas- Halbinsel zum bisherigen Highlight unserer Reise.
Auf der Ostseite der Halbinsel schlägt uns dann die mächtige Pranke des organisierten Massentourismus ohne Vorwarnung ins Gesicht. An der blauen Lagune gibt es einen ersten Parkplatz, der rappelvoll mit Land-Rover-Taxis steht, die die Gäste zwischen Lagune und dem Bad der Aphrodite hin und her chauffieren. Das ist für die Touristen bequem und für uns die Hölle. Die Landys wirbeln Staub auf, können auf der Piste kaum ausweichen und ihre Fahrer haben uns offensichtlich für Freiwild erklärt.

Aderlass

Die Nähe zum Meer hat mir bei meiner Adaption an die Hitze geholfen. Bei Walter ist es genau andersherum: Er wirkt schwer mitgenommen, als wir in der Parkbucht vor der Aphrodite ankommen. Letztere ist eine kleine Grotte mit Süßwasserbecken, in der sich der Legende nach Aphrodite mit ihrem Liebhaber Adonis vergnügt haben soll. Ich besorge Wasser, Cola und Bier. Walter hält sich an diese Reihenfolge. Die Getränke-Kombi und ein Mittagsschlaf im Schatten füllen seine Akkus. Wir mäandern auf kleinen Küstenwegen bis zum Campingplatz in Polis. Ein großer Fehler, wie sich am Abend herausstellen soll. Jener beginnt mit lauschigen Absackern im pittoresken Restaurant, das direkt am Strand liegt. Als wir unsere Schlafsäcke unter den Bäumen ausrollen, geraten wir augenblicklich unter Attacke von Mücken. Die Blutsauger malträtieren uns die gesamte Nacht. „Ganz Transsylvanien hat dieses Jahr Zypern gebucht“, witzelt Walter am Morgen in einem Café in Polis, während ich heftigst meine Arme und Beine kratze.

Der 600-Höhenmeter-Balken

Am Morgen flach die Küstenstraße entlang fahren, das gefällt uns. Dafür bräuchte man zwar keinen B‑plus-Boliden, dafür wäre ein Rennrad sogar besser. Aber unsere Bikes rollen wie auf Schienen und wie ein Zug ziehen wir durchs Land. Es läuft, die Kilometer fliegen dahin. Wir passieren Pachiammos und urplötzlich wandelt sich die Atmosphäre. Immer öfter tauchen Militärfahrzeuge auf und in den südlichen Hügeln sind Wehranlagen zu erkennen. Schließlich stehen wir vor einem Schlagbaum. Soldaten bedeuten uns wortkarg, aber mit einer Eloquenz, die durch die umgehängten Maschinengewehre deutlich an Überzeugungskraft gewinnt, dass hier kein Fortkommen ist. Ohne es zu wissen, sind wir in einen Hotspot der Weltgeschichte geradelt. Hier trifft die griechisch dominierte Republik Zypern auf die Türkische Republik Nordzypern. Und damit das nicht wieder eskaliert, sind UN-Blauhelm-Soldaten in einer Pufferzone stationiert. Sie umranken den alten Ort Erenköy/Kokkina, der nunmehr „nur“ noch eine türkische Militärexklave ohne ziviles Leben ist. Vor diesem Drohgebilde flüchten wir lieber wieder in die Berge. Der Schlagbaum an der Küstenstraße sorgt nicht nur für Unmut in der internationalen Diplomatie, sondern bringt uns auch satte 600 Höhenmeter Umweg ein. Ein knackiger kleiner Passanstieg bis zur ersten Kreuzung, dann biegen wir links ab und fahren östlich der Exklave wieder talwärts bis zum Meer. Große Politik, herzlichen Dank für diese Geschichtsstunde in den Beinen!

Gewachsene Armut statt Krise

Am Grenzübergang Yeşilırmak fahren wir erstmals auf dieser Tour in den türkischen Teil Zyperns. Binnen weniger Meter wandelt sich die Atmosphäre komplett. Kirchen weichen Moscheen und die Mienen der Menschen ändern sich. Aufrecht, stolz und zufrieden blicken uns die meisten an. Geblieben sind die Beulen der Autos, sichtbarer Leerstand und spärliche Auslagen in den Shops. Doch hier im türkischen Teil wirkt es wie ein langsam gewachsener Lebensstandard, mit dem sich die Menschen arrangiert haben, dessen punktierte Vorzüge und Fortschritte sie zu würdigen wissen. Ganz anders als im griechischen Teil Zyperns, denn dort hat es in den letzten Jahren einen herben Niedergang des Lebensstandards gegeben. Wir rollen bis nach Güzelyurt, dessen historischer Stadtkern uns beim späten zweiten Mittagessen verzückt. Auf der Fahrt aus der Stadt heraus machen wir Bekanntschaft mit Horden frei streunender Hunde und diese mit unseren Sprinterfähigkeiten: Kittel-gleich haben wir uns den ganzen Tag unauffällig verhalten, um im entscheidenden Moment alle Körner rauszuhauen. Die Waden sind kurz danach alle, aber immerhin nicht von Hundezähnen perforiert.

Nikosia – die geteilte Hauptstadt

Auf unserem sonntäglichen Weg nach Nikosia überholen uns auf einer riesigen Einfallstraße erstmals andere Radfahrer. Die velophilen Grußzeichen und Konkurrenzspielchen funktionieren über alle kulturellen und sprachlichen Grenzen hinweg. Walter zieht an, ich gehe mit und – was soll ich sagen – das Ortsschild ist meins! Damit hat sich’s dann aber auch schon mit den schönen Seiten von Nikosia. Die suburbane Straße ist von Autowerkstätten, Bordellen und Brautmodegeschäften gesäumt. Und je näher wir dem Zentrum kommen, desto mehr wähnen wir uns in einer mediterranen Version des Berlins der 1980er-Jahre. Nikosia ist eine geteilte Stadt. Wir sehen mehr Armeepatrouillen als Radfahrer, mehr Maschinengewehre als Kinderwagen und wann immer wir achtlos vom Hauptverkehrsfluss abbiegen, stehen wir unversehens vor der Mauer, die die beiden Teile der Stadt voneinander trennt. Hier, in der nachmittäglichen Hitze, an einem für die Weltgeschichte völlig unbedeutenden Septembersonntag, wird mir die Bedeutung der deutschen Wiedervereinigung klarer als je zuvor. „Walter, ich muss hier weg, dieses Gockelgetue mit scharfer Munition halte ich nicht länger aus!“, schreie ich durch den Verkehrslärm. Wir suchen einen Velo-tauglichen Hinterausgang aus einer Stadt, deren Haupteingänge verrammelt sind. Alles ist besser als in die Mündung der Grenzerwaffen zu schauen.

Die A‑Team-Momente im eigenen Leben

Unsere Flucht aus Nikosia bringt uns auf kleinen Pfaden durch das Mia-Milia-Industriegebiet. Wir ignorieren hier ein Schild, dort einen winkenden Fußgänger, um uns schließlich in der ländlichen Einsamkeit wieder wohler zu fühlen. Mit der Karte und dem Navi manövrieren wir entlang der innerzypriotischen Grenze ostwärts. Durstig und hungrig gelangen wir über staubige Pisten in eine Ortschaft. Die erste Theke wird unsere sein, denke ich mir, oder die erste Tanke, da hat Walter schon einen Freisitz entdeckt. Der Kellner ist verdutzt, als wir in Radklamotten zwei Bier und Kebab bestellen. Wir schieben das auf die ungewohnte Sportoptik und unsere verdreckten Arme und Beine. Kurze Zeit später, von den Speisen fehlt noch jede Spur, fährt mit quietschenden Reifen ein Militär-Jeep vor. Ihm entspringt die türkische Ausgabe von Colonel Lynch aus dem A‑Team. Wie von der Tarantel gestochen, rennt er auf unseren Kellner zu. Zwar verstehen wir kein Wort, aber anschließend ist die Rangordnung klargestellt und der Kellner schaut mächtig zusammengefaltet aus. Er kommt zu uns rüber und bringt nichts als ein „No!“ heraus. Wir verstehen nur Bahnhof und harren des Kebabs. Ein feinerer Militärwagen fährt vor und ihm entsteigen zwei Angehörige der Militärpolizei. Sie kommen direkt auf uns zu: „Where do you come from?“, „How did you get into the military base?“, „Why are you sitting here?“ fragt der Größere uns in bestem Englisch, aber nur semi-freundlichem Tonfall. Das ist kein Theken-Talk, sondern ein Verhör. Mir schwant Böses. Kein Mensch auf dieser Welt weiß, dass wir hier entlang fahren wollten, dass wir hier sind. Ich schaue mich unauffällig um. Nur unsere an den Zaun gelehnten Räder zeugen von uns. Doch etwas beruhigt mich: Auf meiner Satteltasche blinkt der Spot-Tracker grün. Er sendet unsere GPS-Koordinaten. Sollte unser Gespräch in einem feuchten Kellergefängnis bei Wasser, altem Brot und Elektroschocks enden, so werden diese Signale der internationalen Diplomatie den Weg weisen. Wir müssen dann nur durchhalten, bis die Hilfe uns erreicht. „Your passports, please!“, werde ich von Colonel Lynch aus meinen Gedanken geweckt. „Nicht gut“, zischt Walter mir zu. Auch in diesem Moment ticken wir wieder ähnlich. Der Militärpolizist lässt sich unsere Pässe geben und greift zum Mobiltelefon. Sein Mienenspiel in den nächsten Minuten schwankt zwischen Kellerverlies und Ehrenbankett. Ich spüre weder Hunger noch Durst, bin paralysiert. Er steckt das Handy weg, reicht uns die Ausweise und bedeutet uns, zügig weiterzufahren. Schnurstracks lassen wir die beiden Biere halbvoll und unbezahlt stehen und schwingen uns auf die Räder. Noch immer beschleunigend nähern wir uns dem Ausgang der Militärbasis und beobachten, wie einfahrende Autos durchsucht und mit Bodenspiegeln kontrolliert werden. Ich hätte nicht gedacht, dass unsere Bike-Tour eine Sicherheitslücke in der Grenzsicherung aufzeigen könnte.

Wir haben unser Bildarchiv aktualisiert. Dabei wurden ältere Bilder entfernt – darunter das hier verlinkte. Melden Sie sich einfach für passende Motive zum Artikel: 0551–9003377‑0.
Großes Finale

So recht einschlafen kann ich an diesem Abend nicht. Walter hat zwar in weiser Voraussicht beim Verproviantieren an der Tankstelle die abendliche Bierration eigenmächtig und beträchtlich erhöht. Hilft aber nichts. Die Gedanken im Kopf kreisen wie ein Keirin-Fahrer auf der Bahn. Haben wir heute schlicht eine Menge Schwein gehabt oder haben unsere Ängste eine im Grunde belanglose Situation einfach nur hochgeschaukelt? Ich komme in der Sache zu keiner Entscheidung, komme lange nicht zur Ruhe und gleite irgendwann dann doch in den Schlaf. Dass wir am nächsten Tag auf dem Weg zum Flughafen an zwei nicht besetzten Grenzübergängen unser Glück vergeblich versuchen, eine Reifenpanne haben und ich wegen eines entzündeten Stichs noch kurz in der Notaufnahme vorbeischaue, bevor wir gen Heimat fliegen, verdauen wir irgendwie besser als den nicht einmal servierten Kasernen-Kebab.

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