Im Test: Einer wie kein anderer – der Bike-Visual-Trainer
Donnerstag, 19. Dezember 2019
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Die goldene Regel der Produkttests in der Mountainbike-Welt lautet: Ein Produkt muss vor allem auf dem Trail funktionieren. Da gibt es keine Ausnahmen. Und so war sofort klar, als die Marketing-Verantwortliche von Pedalo einen Bike-Visual-Trainer zum Ausprobieren anbot, dass es auch in diesem Fall keine Ausnahme geben kann und darf. So denn: Gunnar Fehlau, Gründer des pressedienst-fahrrad, hat sich für eine Testfahrt in der Bike-Republic Sölden entschieden. Sein Erfahrungsbericht.
[pd‑f/gf] Ich packe den angelieferten Bike-Visual-Trainer aus und bin verwundert, wie schmal die Grundausstattung ausfällt. Nun denn, ich baue die Maschine erst einmal zusammen: Es ist erfreulich wenig Spezialwerkzeug notwendig, um den Inhalt aus der kleinen Versandkiste ins fertige Gefährt zu verwandeln. Ikea-Style in der Anleitung und bei den Sicherheitshinweisen, Drehmoment-Angaben suche ich vergebens.
Komplettieren
Ziemlich nackt und unfertig steht der Bike-Visual-Trainer vor mir – ich schreite ins Testmateriallager und greife beherzt zu. Grundsätzliches wie Griffe, Flaschenhalter oder Beleuchtung sind Pflicht. Der Bike-Visual-Trainer hat jedoch keinerlei Ösen oder Anlöter. Klar, der Rahmen ist aus Holz. Ich muss improvisieren. Dabei hilft mir SKS Germany. Zwei Paar der „Anywhere Adapter“ geben dem Flaschenhalter und der Pumpe („Injex T‑Zoom“, vom selben Hersteller) sicheren Halt auf dem Hauptrahmen. Den zu kurzen O‑Ring des „Ixxi“-Rücklichts von Busch & Müller verlängere ich einfach mit einem Kabelbinder, schon sitzt es perfekt. Genauso verfahre ich mit dem Scheinwerfer „Core“. Beim Computer „Super GPS“ von Lezyne mache ich mir den großen Lieferumfang zunutze: Ich fädele zwei O‑Ringe zusammen. Bei der Gelegenheit habe ich auch das Mudguard „Flap Guard“ (schon wieder SKS Germany) mit Kabelbindern fixiert.
Tuning und Setup
Verwundert schüttle ich den Kopf, nachdem ich die Federung des Bike-Visual-Trainers genauer inspiziert habe. Seit Proflex und Softride sind keine Elastomer-Federungen mehr im Gelände-Zirkus zu finden. Und jetzt das hier: Hauptrahmen und Unterbau sind mit einem einfachen Gummipuffer verbunden. Weder Vorspannung noch Sag oder Dämpfung lassen sich auf Fahrer oder Terrain abstimmen. Das mag bei Falträdern wie Brompton oder Birdy genügen, am modernen Mountainbike gibt es dafür Abzüge in der A‑Note.
Innovative Askese
Geradezu progressiv dagegen geht Hersteller Pedalo das Thema Laufräder an: Angesichts der gegenwärtig hitzigen Diskussion rund um gemischte Laufradgrößen und Reifenbreiten empfinde ich den Schritt, gänzlich auf Laufräder zu verzichten, als eine sehr kundenfreundliche Entscheidung. Keine Probleme bei der Ersatzteilversorgung und zudem das wohlige Gefühl der Sicherheit, keinen Fehlkauf ohne Zukunftstauglichkeit getätigt zu haben. Entsprechend auch nie wieder die falsche Reifenwahl. Chapeau, so geht Produktdesign!
Der altbekannte Ärger mit neuen Maßen
Aber warum setzten die Produktmanager diese offensive und zukunftsgewandte Ausstattung des Bike-Visual-Trainer nicht auch beim Cockpit fort? Satte 35 Millimeter misst der nicht außen konifizierte Lenker, der – ganz im Branchentrend zur Integration – auf einen wechselbaren Vorbau verzichtet und fest als Einheit mit dem Bike-Visual-Trainer verbunden ist. Das erlaubt keine individuelle Anpassung und zudem lassen sich keine herkömmlichen MTB-Griffe montieren. Ich habe mich deshalb für das unter Rennradfahrern sehr beliebte und 3,2 Millimeter starke Lenkerband „DSP“ von Lizard Skins entschieden. Das Wickeln folgt den Reflexen jahrelangen Rennradfahrens und ‑aufbauens und verläuft ohne weitere Auffälligkeiten. Holzlenker und Band verstehen sich gut; immerhin!
Pumpenpaar
Der geneigte Leser – und das weibliche Pendant dazu – wird nun voreilig anmerken, dass unsere nachträgliche Ergänzung der Pumpe vor dem Hintergrund der fehlenden Laufräder reichlich sinnlos sei. Das ist aber nur vordergründig betrachtet richtig. Datenauswertungen bei Strava haben ergeben, dass sich alle elf Pumpenborgen Bikerinnen und Biker verlieben. Der entsprechende Beziehungsstatus eines Kollegen, dessen Namen ich hier einmal unter den Tisch fallen lasse, erklärt also diese damit durchaus clevere Montage der Pumpe.
Die erste Fahrt
Auf geht’s! Auf dem Trail liegt die Wahrheit! Der verschwindet heute im Nebel, die schweren Regenwolken sind zum Greifen nahe, quasi auf Augenhöhe. Man darf Fotos einfach nicht auf den letzten Tag einer Recherche terminieren. Anfängerfehler!
Ich steige aus der Gaislachkoglbahn und gebe dem Bike-Visual-Trainer die Sporen in Richtung Eebme Line. Merkwürdige Blicke, aber das kenne ich vom Fatbiken. Der berühmte Steinbogen, tausendfach fotografiert. Ich halte an. Vielleicht kann sich die Sonne für einen Moment vordrängeln. Wie heißen eigentlich Stoßgebete für besseres Fotolicht? Scheiß aufs Wetter, es geht talwärts! Ich nehme Tempo auf. Die ersten Steilkurven: Der Bike-Visual-Trainer ist spurstabil und definiert in der Lenkung. Los, zum ersten Kicker! Mmmmh, gut, Airtime ist seine Sache nicht, der ungewohnte Schwerpunkt verhindert eine präzise Landung. Wir bräuchten vermutlich mehr Zeit, um uns aneinander zu gewöhnen. Anders im berühmten Wallride der Teäre Line. Das ist gut! Holz zu Holz. Das verträgt sich! Die Federung pariert perfekt, Lenkbewegungen werden eins zu eins übertragen. Der Grenzbereich scheint unerreichbar weit entfernt, vielleicht sogar jenseits meiner Fahrtechnik und meines Mutes. So muss ein Bike sein: besser als sein Fahrer. Soweit zu den ersten Metern mit dem Bike-Visual-Trainer.
Prüfstand
Leider konnten weder Dirk Zedler noch Velotech ein geeignetes Prüfgerät für den Bike-Visual-Trainer zur Verfügung stellen. Deshalb kann ich keine validen Vergleichswerte zu anderen Bikes ermitteln. Alle Testfahrer haben bisher die Rahmensteifigkeit auf dem Niveau eines hochwertigen Hardtail-Alu-Rahmens einsortiert. Deutlich heterogener ist das Stimmungsbild bei der Federung. Es reicht von „schön straff CC-Style“ bis „wenig Hub, kaum definiert“. Dass der Bike-Visual-Trainer nur in einer Rahmenhöhe zu bekommen ist, stieß gerade den Testfahrern jenseits der 175 Zentimeter negativ auf. Sie wünschten sich da eine zweite, größere Version, die bei Stack und Reach deutlich zulegt. Update: Ein Blick auf die Internetseite zeigt, es gibt eben diese zweite Rahmenhöhe für Nutzer ab 175 Zentimetern.
Trendcheck: Bikepacking
Die meisten Leser wissen es bestimmt: Ich bin großer Bikepacking-Fan. Und so wird jedes passende und auch unpassende Testmaterial hinsichtlich seiner Bikepacking-Tauglichkeit beäugt. Die „Frontroll“ von Ortlieb lässt sich einfach und straff am Bike-Visual-Trainer montieren. Sie stört im Fahrbetrieb nicht und interagiert nicht negativ mit der Lenkung. Dass die großen Querschnitte des Holz-Chassis die Montage eines „Framepacks“ verhindern, ist bedauerlich. Für die „Saddlebag“ finden sich leider weder Sattelstütze noch ‑gestell. Mein Urteil: Der Bike-Visual-Trainer schreibt das Setup aus Frontroll und Rucksack vor. Das ist okay für einen Overnighter, größere Touren wird man damit nicht bestreiten wollen.
Auf Umwegen
Auf dem Rückweg aus der Bike-Republic Sölden konnte ich einen weiteren Vorteil des Bike-Visual-Trainers ausmachen: Ohne Laufräder bleibt das Gefährt deutlich sauberer und das Putzen geht leichter und schneller vonstatten. Und mir kam eine Idee: Warum nicht einfach mit dem sauberen Bike-Visual-Trainer im Wohnzimmer fahren? Gesagt, getan! Und ich bin begeistert. Das ist das wahre Habitat des Bike-Visual-Trainers! Hier spielt er alle seine Vorzüge aus und seine Nachteile fallen nicht mehr ins Gewicht. Ein Hack, den wir dringend zur Nachahmung empfehlen!
Fazit
Lassen Sie sich von der vergleichsweise einfachen Federung, dem exotischen Lenkermaß und den fehlenden Laufrädern nicht in die Irre führen, der Bike-Visual-Trainer ist ein echter Racer. Aber eben nicht auf dem Trail, sondern vor dem Fernseher oder im Fitnessraum. Endlich wird Netflix zum Fitnesssender! Eine Testfahrt lohnt, versprochen!
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