Pedal-Paradies Pyrenäen: Auf dem Gravelbike vom Atlantik zum Mittelmeer
Donnerstag, 15. März 2018
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[pd‑f/gf] Abenteuer abseits der Straße erleben, aber dennoch die Tour-de-France-Klassiker erklimmen: Diesen Hintergedanken hatte pressedienst-fahrrad-Gründer Gunnar Fehlau, als er seine Radreise quer durch die Pyrenäen plante. Als Reisebegleiter diente deshalb ein Gravelbike. Eine Reportage inmitten einzigartiger Natur, Abgeschiedenheit, legendären Bergen und Schmugglerrouten.
Auf der Suche nach dem richtigen Spot
Als wir am späten Nachmittag nach Mauléon-Licharre einfahren, schauen wir uns um und anschließend an: Das Städtchen liegt tief eingeschnitten im Tal. Abseits der Hauptstraße und ihrer anliegenden Bebauung finden sich kaum Ebenen, auf denen man seinen Schlafsack ausrollen könnte. Ganz zu schweigen davon, dass es hier recht belebt ist. Erst einmal in einem Supermarkt Proviant besorgen. Wir verlassen die Bebauung südwärts Richtung Libarrenx, passieren einen wenig einladend wirkenden Campingplatz, um schließlich auf der von Feldern flankierten
Ein gutes Blatt haben
Zweiter Tag, erster Pass: Wir steuern den Col de Marie-Blanque an. Der Anstieg ist nicht nur eine Feuertaufe für uns, sondern auch für die Technik. Zum ersten Mal fahre ich mit einem Renner ohne Umwerfer. Ich habe elf Gänge. Vorne ein 38er-Blatt und am Heck eine Force-Kassette von Sram mit 10 bis 42 Zähnen. Wird die Übersetzung für die teils steilen Rampen in den Bergen reichen? Ich habe bergauf reichlich Zeit, mir dazu Gedanken zu machen, denn ich kurble bereits seit geraumen Höhenmetern im ersten Gang. „Ganz lässig eigentlich“, denke ich mir, während
Klassiker mit Doppelzimmer
Der Col d´Aubisque (1.709 m) erhebt sich als erster „echter Pass“ mit mythenreichem Nimbus vor uns. Seine exklusive Position sorgt dafür, dass der Aubisque noch unter dem Einfluss des Atlantikwetters steht. Plötzliche Wetterumschwünge sind keine Seltenheit. Uns sollte es auch erwischen. Auf den letzten 200 Höhenmetern vor der Passhöhe ziehen sich die Wolken zu. Es wird richtig dunkel. Und Sekunden später prasselt es los. Irgendeine Matsche zwischen Regen und Schnee. Es geht ein paar Höhenmeter hinunter. Wir kühlen fürchterlich aus, bevor wir in den
Wir haben unser Bildarchiv aktualisiert. Dabei wurden ältere Bilder entfernt – darunter das hier verlinkte. Melden Sie sich einfach für passende Motive zum Artikel: 0551–9003377‑0.Überraschungs-Spa
Wir haben unseren Bergrhythmus gefunden: Col du Tourmalet (2.115 m), Col d´Aspin (1.489 m), Col d´Azet (1.580 m), das Flugfeld von Peyragudes (1.580 m) und der Col de Peyresourde (1.563 m) haben wir in den letzten Tagen gemeistert und wir haben somit die Hälfte der Tour bereits erledigt. Unsere Räder sorgen für Aufsehen und Unverständnis: Die Rennradfahrer schütteln über die breiten Reifen, Scheibenbremsen und Bikepacking-Taschen die Köpfe, klassischen Tourenradlern ist unser Setup zu spartanisch und sportlich. Auch bei der Reisegeschwindigkeit sitzen wir zwischen Stühlen: Die gepäckfreien Rennradler fahren uns bergauf aus den Schuhen und den Tourenradlern entgleiten wir mit unserer Wendigkeit. Die Allwegetauglichkeit sorgt dabei aber für manch zusätzliches Abenteuer.
Schmugglern auf der Spur
Der Tag ist bereits über 1.500 Höhenmeter alt. Wir haben mit dem Port de la Bonaigua auf 2.050 Meter den höchsten Pass Kataloniens am Morgen gemeistert und die Abfahrt führt uns nach Llavorsí. Hier pulsiert das Geschäft mit Rafting-Touren auf der Noguera Pallaresa. Es ist laut, es ist heiß und es ist teuer. Nach einem kleinen Snack ergreifen wir die Flucht Richtung Port de Cabús, mit 2.300 Metern das Dach unserer Pyrenäen-Tour. Die Fahrt sollte in jeder Hinsicht unsere Königsetappe werden, denn wir wählen die Anfahrt von Spanien aus. Die eigentliche Passhöhe liegt in Andorra. Wir folgen bei sengender Mittagshitze der Landstraße entlang des Riu Noguera de Cardós Richtung Nordosten. An jeder Gabelung weist uns das GPS-Gerät beharrlich stets auf die kleinere Straße. Binnen weniger Kilometer ist es erst ärmlicher und schließlich richtig einsam geworden. In Alins füllen wir in einem kleinen Laden unsere Wasservorräte auf und
Wenige Meter weiter bleibt von der Passstraße nur noch eine Naturpiste, die sich himmelwärts arbeitet. Unsere Gravelbikes sind in ihrem Element: Auf Pisten, die mit dem MTB schlicht langweilig wären und fürs normale Rennrad unfahrbar sein dürften, fahren wir komfortabel dahin. Stets versprüht das Gravelbike ein wenig Rennradromantik und wartet im entscheidenden Moment mit der Robustheit und den Nehmereigenschaften des MTB auf. Wir sind eins mit der Piste und kurbeln einsam durch eine schroffe Natur. Fahrfreude und Beklemmung mischen sich zu einem eigenartigen Gefühlscocktail. Unerwartet in dieser Einsamkeit tauchen plötzlich ein paar alte Steinhäuser auf. Wir erreichen das Dorf Tor. Es gibt zwei Wirtshäuser. Vor einem sind Tische aufgebaut und wir kehren ein. So lecker das Bier und so romantisch der große Kamin im Restaurant sind, Tor ist ein Ort zum Fürchten. Drei Menschen wurden hier umgebracht, wie Carles Porta i Gaset in seinem Buch „Tor. Das verfluchte Dorf“ schreibt.
Feuer am Fluss
Wir brechen aus dem verfluchten Dorf auf und arbeiten uns auf der schlechten Piste inklusive kleiner Flussdurchquerungen auf kaum acht Kilometern weitere 750 Höhenmeter hinauf. Unmittelbar nach Tor wird es wieder einsam. Ruinen mitten in der kargen Landschaft zeugen von ehemaliger Besiedlung. Erst an der Passhöhe treffen wir wieder auf Asphalt. Die Ostseite des Port de Cabús ist, wie fast alle Straßen in Andorra, bestens asphaltiert. Wir rauschen talwärts nach Andorra La Vella, steile Geraden, enge Haarnadelkurven und glühende Scheibenbremsen vertreiben die Geister von Tor. Gegenüber dem Deutschen Honorarkonsulat gibt es eine Pizza auf eine der schönsten Passfahrten meines Lebens. Was sollte nach einem solch fantastischen Gravel-Abenteuer noch kommen? Ein fantastischer Biwak. Mit Ausnahme der ersten Nacht konnten wir kein Lagerfeuer mehr machen. Nun brutzelt ein Bio-Steak auf dem kleinen Titangrillrost, während wir einen Rotwein schlürfen und in den La Têt schauen, an dessen Ufer wir nach einiger Zeit des Suchens östlich von Eus einen romantischen Flecken gefunden haben.
Nass auf den letzten Metern
Wir rollen Richtung Mittelmeer aus. Mit dem Col de Ternère (233 m) passieren wir die letzten Hügel. Das noch ausstehende Bad im Mittelmeer vollführen wir in Le Barcarès. Die gemütliche Nacht am Strand wird aber von einem Unwetter jäh unterbrochen. Mangels Radkartons bauen wir uns am nächsten Tag aus Luftpolsterfolie, Rohrisolierungen, Kabelbinder, Müllbeutel und Klebeband zwei handliche, aber unförmige blaue Tütenmonster, die einst unsere Bikes waren. Am winzigen Flughafen in Perpignan beginnt unser Rückflug. Am Abend nehmen wir unsere verpackten Räder wohlbehalten in Frankfurt entgegen und können feststellen: So ein Gravelbike kann sogar fliegen!
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