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Radfahren mit Behinderung: Mobil sein frei von Barrieren
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Donnerstag, 23. April 2015

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Fahrradfahren bedeutet Freiheit, Unabhängigkeit, Mobilität. Das macht das Fahrrad auch für Menschen mit Handicap attraktiv – und zwar nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Behinderung. Allerdings scheint die Technik der Gesellschaft bereits ein gutes Stück voraus zu sein. Der pressedienst-fahrrad beleuchtet die vielen Möglichkeiten, die ein Fahrrad Behinderten schon heute gibt.

[pd‑f/ht] Mit dem Stichwort „Behinderung“ assoziieren selbst sehr offene Menschen im ersten Moment Begriffe wie Rollstuhl, Bedürftigkeit oder Krankheit. Das ist von vornherein falsch, gibt es doch unzählige Formen und Grade von Behinderung. Deren einziger gemeinsamer Nenner besteht in einer mehr oder weniger starken Beeinträchtigung im Vergleich zu anderen, sei es körperlich oder geistig. Aber wo liegt die Grenze?

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Gesellschaftliche Brüche und individuelle Lösungen

Das Tragen einer Brille wird als völlig normal angesehen, während ein Hörgerät verstohlene Blicke auf sich zieht. Jemand, der wegen starker Rückenschmerzen kaum sitzen kann, gilt im Großen und Ganzen als „gesund“, der einbeinige Hochleistungssportler dagegen als behindert. Dabei reicht es schon, mit seiner Körpergröße aus der Norm zu fallen, um im Alltag mit unzähligen Tücken kämpfen zu müssen, und entsprechend wird, wer den Standard sprengt, in den Katalogen der großen Fahrradhersteller nicht fündig. Abhilfe schaffen hier zum Glück einige wenige Firmen wie Velotraum, wo Rahmen auch in „XXS“ oder „XXXL“ angeboten werden, oder die Mountainbike-Schmiede Nicolai, die Rahmen auf Maß fertigt und der nach eigener Aussage „kein Kundenwunsch zu ausgefallen“ ist. Nicht zuletzt fordert auch das Alter früher oder später seinen Tribut. Trotzdem bezeichnet niemand große oder alte Menschen als „Behinderte“ – selbst wenn sie tatsächlich einen Behindertenausweis haben.

So individuell wie die Behinderungen müssen die Antworten der Fahrradwelt ausfallen – und die richten sich ursprünglich gar nicht unbedingt an Behinderte: „Bei einseitig amputierten Gliedmaßen reicht schon ein kleiner Umbau bzw. die Anpassung von Komponenten“, weiß Tobias Erhard von Sram. Ein ganz normales Tandem dagegen ist z. B. eine gute Lösung für Sehbehinderte. „Aber auch geistig behinderte Menschen, die nicht das Radfahren an sich, sondern das komplexe Verkehrsgeschehen vor Probleme stellt, können das Mitfahren auf dem Zweisitzer unbeschwert genießen“, ergänzt Harald Troost von Koga. Selbst leichte Gleichgewichtsstörungen des Mitfahrers („Stoker“) kann der sogenannte „Captain“ auf dem Tandem ausgleichen. Tiefeinsteiger wie das Modell von Flyer empfehlen sich zudem bei verminderter Beweglichkeit.

Echte Freiheit hat drei Räder

Eines kann das Tandem allerdings nicht bieten: vollkommene Unabhängigkeit. Mit einem kippstabilen Dreirad („Trike“) dagegen sind eingeschränkte Menschen nicht auf andere angewiesen. Vor allem Liegedreiräder eignen sich für die verschiedensten Formen und Grade von Behinderung, da sie auch mit gestörtem Gleichgewichtssinn gefahren werden können und keine kräftige Haltemuskulatur erfordern. Elektromotoren gleichen mittlerweile sogar fehlende Kraft in den Beinen aus und schaffen völlig neue Möglichkeiten. Bei sogenannten „Handbikes“ wiederum wird die Kurbelarbeit gleich ganz von den Armen übernommen.

Die große Vielfalt an Trikes und anderen besonders konstruierten Rädern stellt alljährlich die Spezialradmesse in Germersheim unter Beweis, die in diesen Tagen zum 20. Mal ausgerichtet wird. Doch es sind nicht nur die Räder an sich, die vieles möglich machen – hilfreiche Lösungen liegen häufig im Detail. Auch Trikes sind zunächst ganz normale Räder, selbst wenn sie konstruktionsbedingt Vorteile für den Reha-Einsatz mitbringen: „Behindertengerecht wird ein Rad oft erst durch Zubehör, das auf die besonderen, individuell verschiedenen Bedürfnisse zugeschnitten ist“, erläutert Alexander Kraft von HP Velotechnik. Die Krifteler Liegeradmanufaktur hält eine breite und durchdacht konstruierte Palette an Extras vor; das reicht von der Armauflage über Spezialpedale mit diversen Fixiermöglichkeiten für Füße und Unterschenkel bis hin zum Gehstockhalter. Dabei sind schon kleine Hilfen manchmal eine große Erleichterung: „Bei einer eingeschränkten Beweglichkeit kann ein Rückspiegel am Lenker darüber entscheiden, ob das Radfahren noch möglich und sicher ist oder nicht“, erläutert Sebastian Göttling von Busch & Müller.

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Jenseits der Norm statt lediglich Durchschnitt

Zu welchen Leistungen Menschen mit Einschränkungen auf einem geeigneten Rad in der Lage sind, soll das Projekt „Inklusion braucht Aktion“ unter Beweis stellen. Zwei radelnde Globetrotter brechen im August 2015 von Flensburg aus zu einer Weltumrundung auf, die sie unter anderem zum Papst im Vatikan und zu den Paralympischen Spielen in Brasilien führen wird. Ihr Tagespensum lässt sich dabei durchaus mit dem anderer Rad-Globetrotter vergleichen. Möglich wird das für einen der beiden Protagonisten auch mit Sehbehinderung durch ein leicht umgebautes Zweirad, der andere nimmt die Herausforderung trotz lädierten Rückens in einem Trike an. Auf seinem „Scorpion plus“ von HP Velotechnik trägt er zudem die „Inklusionsfackel Deutschland“ des „Netzwerk Inklusion Deutschland“ erst nach Rom, dann nach Rio.

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Dass eine ganze Reihe von Herstellern ihre Hausaufgaben macht und Behinderte von sich aus mit großem Elan aktiv werden, entlässt die Gesellschaft allerdings nicht aus ihrer Verantwortung. „Behindert“ ist nämlich keine persönliche Eigenschaft des Betroffenen. Allzu oft mache erst eine behindernd gestaltete Umwelt Einschränkungen spürbar, mahnt Andreas Hombach von WSM: „Es liegt an uns, eine Infrastruktur zu schaffen, die das Radfahren nicht verhindert, sondern auch denjenigen ermöglicht, die bisher mit Barrieren konfrontiert werden. Ich bin überzeugt davon, dass unter dem Strich alle davon profitieren, wenn wir nicht nur die Norm zum Maßstab nehmen.“


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